Das Haltesignal sollte man auch als Radfahrer nicht ignorieren – vor allem nicht direkt vor einem Streifenwagen. Für einen 37-Jährigen endete die Verwaltungsübertretung vor dem Strafgericht.

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Wien – Ob er in der Nacht des 18. Juli "Es gschissenen Kiberer, i geh sicha nirgendwo hi, es Oarschlecha!" gesagt habe? Nein, erklärt Angeklagter Christian N. ruhig Richter Peter Komenda. "Das wäre mir zu plump", stellt der unbescholtene 37-Jährige klar. "Ich habe später dann tatsächlich der Polizistin gesagt, was sie ist", gibt er allerdings zu. Diesen Satz hat nämlich auch ein unbeteiligter Passant gehört: "Mylady, Sie sind ein richtiges Arschloch!", lautete er.

Wie kam es gegen 2 Uhr morgens zum Vergleich von Exekutivbeamten mit Bestandteilen des Verdauungssystems? N. gibt selbst zu, davor fünf Bier und einen Liter Cola-Rotwein, also zwei große Fetzi, getrunken zu haben. Zwischen einem und 1,2 Promille habe er danach gehabt, schätzt er. "Woher wissen Sie das?", will Richter Komenda wissen. "Ich habe einmal bei einem Zeltfest freiwillig einen Test bei einem Alkomaten gemacht, daher weiß ich, wie sich 1,2 Promille anfühlen", ist N. überzeugt.

Ohne Licht rote Ampel ignoriert

Mit diesem Rausch schwang er sich auf sein Rad, um heimzufahren. Licht hatte er keines, zum Ausgleich ignorierte er an der Kreuzung der Ottakringer Straße mit der Wattgasse das Rotlicht der Lichtsignalanlage, besser unter dem Begriff Ampel bekannt. Das ist an sich schon nicht unmutig, da sich an dieser Straßenecke eine Polizeiinspektion befindet. Zusätzlich wurde der rasante Radler aber auch noch von der Besatzung eines Streifenwagens beobachtet, die in Gegenrichtung vor der Ampel stand.

"Ich habe sie zu spät gesehen", gibt der Angeklagte zu. Als die Beamten ihr Blaulicht einschalteten und ihm nachfuhren, versuchte er noch, sich durch eine Fahrt gegen die Einbahn in eine Nebenstraße zu retten. Erfolglos. Ab diesem Zeitpunkt divergieren die Darstellung von N. und jene der Polizisten und des Passanten ganz erheblich.

Der von Heike Sporn vertretene Angeklagte sagt, er habe mit der jungen Polizistin und deren Kollegen zunächst ganz normal und ruhig geredet. Als die ihn zu einem Alkovortest aufgefordert hätten, habe er verweigert und gesagt, er mache gerne einen Test an einem geeichten Alkomaten. Die Beamten seien ihm nahe gekommen, daher habe er die Straßenseite gewechselt, sich unter einen Baum gesetzt und eine Zigarette angezündet.

"Spaßige Attitüde" bei Festnahme

Dann sei er plötzlich festgenommen worden, warum, kann er sich eigentlich nicht erklären. "Ich habe mich mit spaßiger Attitüde auf den Boden gelegt", versucht er zu erklären. Richter Komenda ist verwirrt: "Was ist da spaßig, wenn man auf dem Bauch liegt und Handschellen bekommt?" – "Dass ich es trotz Handschellen geschafft habe, der Polizistin ihren Handschuh auszuziehen."

Wie sich herausstellt, scheint er sich getäuscht zu haben: Den Handschuh verlor nicht die Polizistin, sondern ihr Kollege. Und zwar, nachdem der Angeklagte es geschafft haben soll, ihm vier Finger nach hinten zu biegen, wodurch sich der Beamte eine Zerrung und Prellung an Mittel- und Ringfinger zuzog und einen Tag dienstunfähig wurde.

Laut Polizistin habe N. dabei "Es gschissenen Oarschlecha, du bekommst deine Finger ned mehr heil zruck, wenn ihr mich so behandelt!" gebrüllt haben. Das hat der unbeteiligte Passant nicht gehört, sehr wohl aber einen Schmerzensschrei des Beamten. Der Angeklagte bestreitet aber strikt, den Polizisten verletzt zu haben.

Mundstück aus Hand geschlagen

Die Polizisten berichten als Zeugen, dass N. sich quasi nur in Schimpftiraden geäußert habe. Das Mundstück für den Alkovortest habe er der Beamtin aus der Hand geschlagen. Dann entfernte er sich und versuchte, unter dem Baum sitzend, seine Zigarette am Oberschenkel der Beamtin auszudrücken. Und schließlich habe er sich der Festnahme wdersetzt.

Verteidigerin Sporn hat es nicht ganz leicht, erst als sie ihm vorkaut, ob es nicht vielleicht möglich sei, dass er sich nicht mehr richtig erinnere, gibt er zu, vielleicht etwas ausfällig geworden zu sein. Zu Sporns milder Verzweiflung sieht er sich aber noch immer als Opfer: "Ich finde es hart, Radler überhaupt blasen zu lassen. Das sind ja oft Studenten und so", kritisiert er gegenüber Richter Komenda. Der ist leicht irritiert: "Aber Sie geben ja selbst zu, dass sie 1,2 Promille hatten?"

Im Protokoll festhalten lässt Komenda auf Aufforderung der Staatsanwältin auch das offensichtliche Amüsement des Angeklagten, als er formuliert, die beiden Polizisten hätten sich verhalten "wie Abgänger der Mistelbacher Hauptschule, die eigentlich direkt in einen vor 60 Jahren aufgelösten Verein wollten". Was er damit meint, bleibt N.s Geheimnis.

Sieben Monate bedingt statt Diversion

Es hat aber direkte Auswirkung auf seine Strafe. Komenda verurteilt den 37-Jährigen zu sieben Monaten bedingter Haft. Ein bei einem Unbescholtenen an sich mögliches diversionelles Vorgehen sei in diesem Fall nicht möglich gewesen, da N. für die Körperverletzung keine Verantwortung übernommen habe und eine Verurteilung aus spezialpräventiven Gründen nötig sei. Von den geforderten 1.500 Euro Schmerzensgeld für den eintägigen Krankenstand bekommt der verletzte Polizist 300 Euro zugesprochen. (Michael Möseneder, 11.10.2020)