Was Peter Herzog in den vergangenen Tagen getan hat? Er war laufen. Jeden Tag. Nicht rasend und nicht rasend lang. Am Montag etwa eine Stunde lang. Ganz locker, ohne auf die Uhr zu blicken. Es verwundert so oder so. Schließlich hatte Herzog tags zuvor beim London-Marathon alles aus sich herausgeholt, nach zwei Stunden, zehn Minuten und sechs Sekunden lief er ins Ziel. Damit hatte er sich den österreichischen Rekord geschnappt, die Bestmarke von Lemawork Ketema um 38 Sekunden unterboten.

Die widrigen Bedingungen hatten Peter Herzog wenig anhaben können. Am Ende lag er jubilierend auf dem nassen Londoner Asphalt.
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Jubelnd zwar, aber völlig ausgepumpt lag der 32-jährige Salzburger auf dem nassen Asphalt im Londoner St. James Park. Abends flog er nach Hause – und am nächsten Tag schnürte er schon wieder die Laufschuhe. "Einem Laien würde ich das nicht raten", sagt er. "Aber ich bin Profi, ich kann so die Erholung vorantreiben." Bis er wirklich Pause macht und die Füße hochlegt, dauert es noch ein wenig.

Die Verantwortung

Profi, Berufssportler. Vor wenigen Jahren hätte Herzog nie und nimmer daran gedacht, dass er sich einmal so nennen würde. Jetzt ist er beim Heeressportzentrum angestellt, jetzt hat er Sponsoren wie Hervis, die ihm und seiner Familie Sicherheit geben. Herzog baut derzeit Haus oder lässt Haus bauen, er sieht sich in der Verantwortung für seine Lebensgefährtin und die einjährige Tochter. Deshalb hatte er auch gezögert, seinen sicheren Job als Biathlontrainer einer unsicheren Zukunft als Leistungssportler zu opfern. "Aber nach Berlin musste ich es versuchen."

Der Negativ-Split

Berlin, das war die Leichtathletik-EM 2018, bei der Österreich im Marathon-Teambewerb dank Ketema (8. im Einzelbewerb), Herzog (10.) und Christian Steinhammer (41.) hinter Italien und Spanien sensationell die Bronzemedaille holte. Schon damals, wie auch zuletzt in London, hatte sich Herzog im Verlauf des Rennens platzierungsmäßig stetig verbessert. In London schaffte er sogar einen Negativ-Split, er legte also den zweiten Halbmarathon (1:04:47) flotter als den ersten (1:05:19) zurück.

Das lässt auf eine Taktik schließen, die voll aufgegangen ist. Tatsächlich war Herzog relativ langsam angelaufen, in einer Gruppe, der Englands Laufstar Mo Farah den Hasen machte, auf dass sie nach 2:11:30 ins Ziel kommen sollte. Am Ende eilte Herzog der Gruppe davon und in eine Euphorie (Runner’s High). Vor dem Start hatten er und sein Trainer Johannes Langer kurz überlegt, von Haus aus eine flottere Partie zu wählen. Doch das, ist Herzog überzeugt, wäre früher oder später ins Auge gegangen. Er wäre eingebrochen oder, wie er es ausdrückt: "Dann wäre der Mann mit dem Hammer gekommen."

Herzog: "Früher ist das Bier generell nicht zu kurz gekommen. Es hat mir halt geschmeckt. "
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Peter Herzog ist im Marathon ein Spät- und deshalb Quereinsteiger. Er war zunächst Biathlet, machte sich dann in der Bike-Trial-Szene einen Namen. "Es war eine geniale Zeit, ich bin etliche Shows gefahren, einmal bin ich da sogar über den Armin Assinger drübergesprungen." Doch davon kann man auf Dauer auch nicht leben, er zog einen Schlussstrich. Als er einen Freund, den Biathleten Dominik Landertinger, im Radfahren begleitete, merkte er, dass er mithalten konnte. Er versuchte sich als Triathlet. "Leider bin ich geschwommen wie ein Werkzeugkistl, das hab ich nicht aufholen können. Da bin ich schon am Sport verzweifelt."

Die Faszination

Er holte die Matura nach, auch kein Fehler, und begann zu arbeiten. Nebenbei, wirklich nur nebenbei bestritt er den einen oder anderen Städtemarathon und war fasziniert "von den Zuschauern, dem Wirbel, der Musik an der Strecke". Auf den Vienna City Marathon 2016 hatte er sich " vier Wochen lang vorbereitet", nach 2:30 Stunden lief er ins Ziel. "Ich hab mich vorher relativ gehen lassen. Früher ist das Bier generell nicht zu kurz gekommen. Es hat mir halt geschmeckt. Aber nachher wollte ich wissen, wie schnell ich sein kann, wenn ich ernsthaft trainiere." Im Herbst 2016 schauten in Frankfurt schon 2:21 heraus.

Es folgte die EM-Medaille in Berlin, die Entscheidung, Profi zu werden. Es folgte beim Vienna City Marathon ein Rückschlag, in 2:16:16 verpasste er seine eigene Bestmarke um 47 Sekunden. "Ich bin gegen die Wand gefahren", sagt er, "und hab meine Einstellung radikal geändert." Seither ernährt er sich bewusst, das schließt ein Alkoholverbot in der Vorbereitung mit ein, die auch nicht mehr vier Wochen, sondern etliche Monate lang dauert.

Das Meisterstück

London war der Lohn, ein mentales Meisterstück. Die Olympischen Spiele 2021 sind das nächste große Ziel. Peter Herzog, den sie Peda nennen, strebt "einen ordentlichen Aufbau an". Unterstützen wird ihn dabei auch der Leichtathletikverband (ÖLV), der seit Jahren auf den Marathonlauf – wie auf den Diskuswurf und den Mehrkampf speziell der Damen – fokussiert ist. Herzog und Ketema haben die Olympia-Norm erfüllt, für einen dritten Marathonstartplatz käme etwa Timon Theuer in Frage. Bei den Damen ist Eva Wutti im Rennen. Nicht auszuschließen, dass Österreich 2021 ein olympisches Marathonquartett am Start hat.

Was Peter Herzog in nächster Zeit tun wird? Er wird laufen, jeden Tag, wird noch eine gute Woche lang "nachtrainieren". Erst dann will er "wirklich ordentlich pausieren". Mag sein, dass sich dann sogar ein Bier ausgeht. (Fritz Neumann, 9.10.2020)