Co-Working statt Homeoffice: Die flexiblen Schreibtische können frischen Wind in einen Ort bringen, so wie am Bild in Ottensheim.

Visualisierung: PostWerkStatt

Der "2Kanter" in Engerwitzdorf war früher ein Bauernhof von vielen in der Gegend. In den teils 600 Jahre alten Gemäuern in der Nähe von Linz wird schon seit den Tagen Maria Theresias Schnaps gebrannt. Ab dem kommenden Jahr wird daraus etwas ganz Neues: Hier entsteht ein Co-Working-Hof.

"Wir wollen das Bäuerliche mit dem Modernen verbinden", erzählt Gernot Neuhauser über sein Projekt im Bauernhaus, das seinen Schwiegereltern gehörte. Der Projektname "2Kanter" rührt daher, dass der Hof vor 120 Jahren nach einem Blitzschlag zur Hälfte abgebrannt ist. Die Umbauarbeiten zum Co-Working-Hof sollen kommendes Jahr beginnen, im Herbst 2021 die ersten Büromieter einziehen. Auch an einer Kinderbetreuungs-Option wird mit der Gemeinde gearbeitet.

Keine Frage: Das flexible Arbeiten ist aus den Städten längst im ländlichen Raum angekommen. Es sorgt in Zeiten der Corona-Pandemie bei Menschen, denen zuhause im Homeoffice die Decke auf den Kopf fällt, für einen Tapetenwechsel. Es bringt aber auch das Leben zurück in manche Orte, die in den letzten Jahren nur noch zum Pendeln in die nächstgelegene Stadt genutzt wurden – und deren Ortszentren so mit den Jahren "ausbluteten", wie es der Architekt Roland Gruber vom Architekturbüro nonconform formuliert.

Comeback der Ortskerne

Er sieht Kleinstädte und Orte nun im Aufwind: "Sie werden eine neue Blüte erleben", ist er überzeugt. Denn nun bleiben die Leute zuhause. Das Dorfwirtshaus könnte so wieder zum Treffpunkt werden. Geschäfte im Ortskern könnten nun wieder als Nahversorger interessant werden, weil das Auto in der Garage bleibt und man nicht schnell am Heimweg beim Supermarkt einkaufen muss.

In seinem Heimatort arbeitet Gruber seit Corona selbst in einem "Public Home Office", wie er es bezeichnet. Damit wird ein seit Jahren leerstehendes Gebäude auf Initiative der Gemeinde wieder mit Leben gefüllt. Hier arbeitet er neben einem Kirchenmusiker, einem Bohrmaschinenhändler und einer Hochzeitsfotografin. "Eine solche Mischung kann man nicht erfinden", sagt Gruber und lacht.

Auch Gernot Neuhauser merkt in Engerwitzdorf seit Corona mehr Zuspruch für seine Idee. Vielen falle zuhause im Homeoffice mittlerweile die Decke auf den Kopf, "manche verarmen auch sozial". 20 Schreibtische sollen im "2Kanter" entstehen. Zielgruppe sind nicht nur Ein-Personen-Unternehmen. Neuhauser hofft, dass auch größere Firmen hier Tische für ihre Mitarbeiter anmieten, um ihnen an manchen Tagen das Stauen nach Linz zu ersparen. Er plant auch gemeinsame Workshops mit künftigen Mieterinnen und Mietern. Das Feierabend-Bier am Donnerstag und ein Frühstück am Montag sollen Fixpunkte im Büroalltag werden. "Und Office-Hunde wird es auch geben", kündigt Neuhauser an.

Erste neugierige Besucher

Ein Co-Working-Space ist mit dem "Granitlab" vor rund einem Jahr auch am Marktplatz von St. Martin im Mühlkreis entstanden. "Am Anfang kamen Leute rein, die von unserem Space in der Zeitung gelesen hatten", erzählt Geschäftsführer Andreas Höllinger. Die englische Bezeichnung für die flexiblen Büros habe damals manche im Ort verwirrt. Ein Blick auf die zwölf Schreibtische, an denen nun einige Mitarbeiter von Höllingers Marketingagentur neben anderen Mieterinnen und Mietern aus verschiedenen Bereichen arbeiten, hat die Neugier der Besucher gestillt.

Auch so mancher Bürgermeister aus anderen Gemeinden habe ihn mittlerweile kontaktiert, erzählt Höllinger, der Obmann der WKO Rohrbach ist. Einen Co-Working-Space wünschen sich auch andere Orte, damit das Leben auf den Marktplatz zurückkehrt. Allerdings weiß Höllinger: "Wenn ein Ort so klein ist, dass der nötige Traffic nicht da ist, macht das keinen Sinn."

Größte Konkurrenz: das Einfamilienhaus

Stefan Parnreiter-Mathys hat sich vor rund einem Jahr in Ottensheim in der Nähe von Linz über ein Co-Working-Projekt getraut: Er mietete den in die Jahre gekommenen Veranstaltungsraum über dem "Gasthof zur Post", sanierte ihn und verwandelte ihn in die "PostWerkStatt". Die ehemalige Bühne dient heute als Besprechungsraum, im Publikumsraum hackeln Co-Worker und Co-Workerinnen.

Auch Parnreiter-Mathys bemerkt seit der Corona-Krise einen "ganz starken Anstieg" an den "klassischen Co-Workern", also Ein-Personen-Unternehmen, die bisher zuhause gearbeitet haben. Die "größte Konkurrenz" für Co-Working Spaces sei am Land immer "das 400-Quadratmeter-Einfamilienhaus" gewesen. "Aber das wird jetzt anders genutzt", sagt Parnreiter-Mathys. Denn nun sind die Kinder mehr zuhause, vielleicht arbeitet auch der Partner oder die Partnerin von zuhause aus. "Da wird es manchen jetzt doch zu eng und zu trubelig."

Sie mieten sich für ein, zwei Tage in der Woche ein, in denen konzentriert gearbeitet wird. Einige der Mieterinnen und Mieter hätten zuhause kleine Kinder, "die genießen dann die gemeinsamen Kaffeepausen mit den anderen ganz besonders".

Freie Schreibtische gibt es noch. Und noch viel mehr Raum für gute Ideen zur Belebung der Ortszentren. (Franziska Zoidl, 28.10.2020)