Darf wohl erneut nach Erinnerungen suchen: Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)

Foto: APA

Nach einem relativ ereignisarmen U-Ausschuss-Termin kam es donnerstagabends noch zum Eklat: Die Grünen stimmten gemeinsam mit SPÖ, FPÖ und Neos zwei Ladungsbegehren des Koalitionspartners ÖVP nieder. Was den Grünen nicht schmeckte, war, dass die ÖVP zwei Ausschussmitglieder laden wollte, konkret FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker und den SPÖ-Abgeordneten Christoph Matznetter. Bei beiden sahen die Grünen, genau wie der Rest der Opposition, keinen Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand; ging es doch um Käuflichkeit der türkis-blauen Koalition 2017 bis 2019.

Matznetter hätte wohl geladen werden sollen, da im Magazin des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, dessen Präsident er ist, Inserate der Novomatic erschienen sind. Im Untersuchungszeitraum hatte Matznetter keinen Einfluss auf die türkis-blaue Regierung, argumentierte die Gegenseite. Das türkise Manöver wurde klar als Retourkutsche für die erneute Ladung von Ausschussvorsitzendem Wolfgang Sobotka gesehen. Auch Hafenecker hatte unter Türkis-Blau keine Regierungsfunktion inne – er wurde 2018 zum blauen Generalsekretär, bis er diese Rolle im Jänner 2020 zurücklegte.

Den grünen Abgeordneten Nina Tomaselli und David Stögmüller war von ihrer Partei im U-Ausschuss relativ freie Hand gelassen worden – die beiden befragten auch den grünen Koalitionspartner hart und sprachen sich zuletzt gegen die Vorsitzführung durch Sobotka aus. Das Überstimmen der ÖVP beim Ladungsbegehren könnte also in dieser Linie gesehen werden – oder gröberen Unmut auslösen. Schon zuletzt sprach ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl von einer "Vier-Parteien-Koalition" gegen Sobotka und die ÖVP.

Zahlreiche ÖVP-Politiker

Die rot-pinken Fraktionen im Ibiza-Untersuchungsausschuss wollen im Frühjahr 2021 zahlreiche ÖVP-Politiker und hochrangige türkise Berater und Mitarbeiter befragen. Das geht aus dem Ladungsbegehren der beiden Fraktionen hervor, das dem STANDARD vorliegt. Wie schon bisher ist ein breiter Mix an Themen geplant; von der Schredderaffäre geht es über die geplante FMA-Reform bis hin zur Entstehungsgeschichte des Ibiza-Videos.

Die prominentesten Namen sind wohl Ex-Vizekanzler Josef Pröll, Finanzminister Gernot Blümel, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (alle ÖVP) sowie Ex-Außenministerin Karin Kneissl (von der FPÖ nominiert). Noch einmal versuchen will man es mit der Ladung von Novomatic-Gründer Johann Graf und Kaufhauserbin Heidi Horten, beide haben aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.

Going to Ibiza

Der Plan der beiden Oppositionsparteien sieht folgendermaßen aus: In den ersten beiden Sitzungen am 26. und 27. Jänner soll es um die Ibiza-Ermittlungen gehen. Geladen ist Polizist Niko R., der in der Soko Tape tätig war, obwohl er Heinz-Christian Strache vorher Unterstützungs-SMS geschrieben hatte. Außerdem soll ein Personenkreis kommen, dem unterstellt wird, vor der Veröffentlichung vom Ibiza-Video Bescheid gewusst zu haben: der SPÖ-nahe Berater Rudi Fußi, der ÖVP-nahe Berater Daniel Kapp sowie Dietmar Halper, bis vor kurzem Direktor der Politischen Akademie der ÖVP. Aussagen werden außerdem ein Staatsanwalt der WKStA sowie Soko-Chef Andreas Holzer.

Danach geht es um die FMA-Reform, hier soll beispielsweise Multifunktionär Harald Mahrer Rede und Antwort stehen. Im Februar soll sich der U-Ausschuss dann dem türkisen Universum widmen. SPÖ und Neos wollen den ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior laden, ebenso die Kurz-Berater Stefan Steiner und Antonella Mei-Pochtler. Dann wendet man sich kurz wieder dem Glücksspiel zu und probiert es erneut bei Novomatic-Gründer Graf.

Weite Reise

Im März kehrt man dann wieder zum Ibiza-Video zurück und lädt unter anderem jenen Bodyguard, der belastendes Material gegen Strache gesammelt hat. Das breite Potpourri an Themen, die folgen: Post, Bundesimmobiliengesellschaft sowie Österreichische Beteiligungs AG (Öbag). Den Abschluss machen dann deren Chef Thomas Schmid, Josef Pröll und Heidi Horten – falls sie erscheint.

Die Ladungsliste ist noch nicht fix, die anderen Fraktionen müssen erst in Verhandlungen miteinbezogen werden. Die Initiatoren eines U-Ausschusses haben gemäß der bisherigen Usancen allerdings eine Art "Vorschlagrecht". Sperren können sich die anderen Parteien nur mit einer Stimmenmehrheit, Grün oder Blau müssten also mit der ÖVP votieren. Dann kann der Verfassungsgerichtshof angerufen werden. (Fabian Schmid, 8.10.2020)