Kronprinz Mishal legte seinen Eid ab.

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Das Parlament in Kuwait hat am Donnerstag Prinz Mishal als Kronprinzen bestätigt, den der neue Emir, Nawaf al-Ahmed al-Jaber al-Sabah, am Vortag vorgeschlagen hatte. Diese Bestätigung war naturgemäß eine reine Formsache: Das kuwaitische Abgeordnetenhaus ist zwar das aktivste und widerborstigste in der Region, aber einen Widerspruch bei so einer Entscheidung würde es nicht wagen.

Emir Nawaf hätte zwar ein Jahr Zeit gehabt, einen Kronprinzen zu wählen, aber angesichts seines fortgeschrittenen Alters – er ist 83 – war eine rasche Entscheidung logisch. Der Vorschlag erfolgte punktgenau zum Ende der Legislaturperiode des Parlaments, das noch heuer neu gewählt wird. So konnten die Abgeordneten in ihrer letzten Sitzung den neuen Thronfolger noch absegnen.

Mishal al-Ahmed al-Jaber al-Sabah ist ein Bruder (von Vaterseite) sowohl Nawafs als auch des am 29. September in einem US-Krankenhaus im 92. Lebensjahr verstorbenen Emirs Sabah. Dass der dritte Bruder zum Zug kommt, ist keine Überraschung, war aber nicht im Vorhinein fix. Die Wahl des 80-jährigen Mishal reflektiert einen Wunsch nach Kontinuität, Stabilität und Sicherheit, wenngleich auf Kosten von Bewegung. Der Sprung in die nächste Generation wurde aufgeschoben – es waren sowohl ein Sohn Sabahs als auch ein Neffe im Gespräch (beide mit dem Namen Nasser: Nasser al-Sabah und Nasser al-Mohammed). Was das Alter betrifft, hätten sie jedoch keinen so riesigen Unterschied gemacht, die beiden Nassers sind 72 und 79.

Ein Mann der Sicherheit

Prinz Mishal war bisher Vizechef der Nationalgarde, er ist also ein Security-Mann. Und er ist ein Saubermann, von Korruptionsvorwürfen und Skandalen unbelastet. Der Respekt, der ihm allgemein entgegengebracht wird, wird auch innerhalb der Familie helfen, wo ja noch immer die Frage schwelt, ob sich der Jaber-Zweig der Sabah-Familie an der Herrschaft endgültig durchgesetzt hat oder ob nicht doch die Salems wieder zum Zug kommen sollten. Der letzte Salem auf dem Thron war Scheich Saad, der im Jänner 2006 Emir wurde und nach nur neun Tagen wegen seiner Demenzerkrankung des Amtes enthoben wurde. Nach ihm kam der nun verstorbene Scheich Sabah, ein Jaber, zum Zug und nun seine beiden Brüder.

Für die Wahl Mishals dürfte mitentscheidend gewesen sein, dass er ein besonders gutes Verhältnis zu Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben soll. Von dort könnte in Zukunft mehr Druck kommen. Kuwait hat sich ja, wie der Oman, unter dem alten Emir der neuen konfrontativen Regionalpolitik von Riad und Abu Dhabi verweigert, etwa dem Totalboykott Katars. Subkutan ist deshalb stets die Furcht vor einem "Katar-Schicksal" vorhanden, nämlich dass man bestraft und wie Katar isoliert werden könnte. Gleichzeitig ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Prinz Nawaf die Absicht hat, die "Neutralität" Kuwaits aufzugeben, die ein Markenzeichen geworden ist und das Land als Vermittler qualifiziert.

Die andere Seite jedoch ist, dass nun in Kuwait aufgeschoben worden ist, was in anderen Staaten des Golfkooperationsrats bereits eingetreten ist: dass eine neue Generation von starken, weltläufigen, aktiven, modernen Leadern zum Zug kommt. Die sind nicht immer sehr sympathisch (bis, wie im Fall des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, hochproblematisch), aber sie sind zumindest gestalterisch tätig und wollen ihre Region aus dem "Ölschlaf" führen.

Corona und der Ölpreis

Die Herausforderungen, die das Duo Nawaf und Mishal – sie werden sich wohl auch angesichts ihres Alters die Aufgaben aufteilen – erwarten, sind die gleichen wie in allen anderen Golfstaaten: die Corona-Krise, deren Management auch in Kuwait kritisiert wird, und die Wirtschaft, die schon vor Corona durch die niedrigen Ölpreise unter Druck war und die, wie jene aller Ölstaaten, diversifiziert werden muss. Moody's hat Kuwait im September wegen einer drohenden Liquiditätskrise ein Downgrade verpasst. Das zerstrittene Parlament war unfähig, ein neues Gesetz zu verabschieden, das die Erhöhung der Staatsschulden regelt.

Kritik am Corona-Management der Regierung hat vor kurzem zehn Parlamentarier dazu bewogen, einen Misstrauensantrag gegen den Vizepremier und gegen den Innenminister einzubringen. Der neue Emir hat nun Neuwahlen angeordnet, die jedoch ohnehin fällig waren, die letzten waren 2016. Parteien gibt es keine, aber gut zwanzig von fünfzig Parlamentssitzen werden der Opposition zugeordnet. Die Regierung ernennt der Emir selbst.

Kuwait liegt an einer geografisch heiklen Stelle, im Süden eines unruhigen Irak und inmitten des iranisch-arabischen Spannungsfelds. Es gibt übrigens auch eine eigene – sehr loyale – substanzielle schiitische Minderheit im Land. Die Bilder von Emir Sabah, als er nach einem IS-Anschlag auf eine schiitische Moschee im Jahr 2015 sofort dort hineilte und den Schiiten dann die "eigene" Moschee zur Verfügung stellte, wurden nach Sabahs Tod wieder in den Social Media zirkuliert. Er war eine sehr integrative Figur. (Gudrun Harrer, 9.10.2020)