Alexander Schallenberg und Swetlana Tichanowskaja: Schallenberg spricht von einem "demokratiepolitischen Drama" in Belarus.

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Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg ist am Donnerstagnachmittag in Wien mit der belarussischen Oppositionellen Swetlana Tichanowskaja zusammengetroffen. Tichanowskaja war aus der slowakischen Hauptstadt Bratislava angereist, wo sie zuvor am Globsec-Forum teilgenommen hatte, einer jährlich stattfindenden internationalen Konferenz zu sicherheitspolitischen Fragen.

"Was wir in Belarus (Weißrussland, Anm.) erleben, ist ein demokratiepolitisches Drama", sagte Schallenberg nach dem Treffen. Das Durchhaltevermögen und die Entschlossenheit der belarussischen Zivilgesellschaft seien "bewundernswert".

Im Fokus des Gesprächs mit Tichanowskaja standen laut Informationen aus dem Außenministerium die Unterstützung für die belarussische Zivilgesellschaft vonseiten Österreichs und der EU, die Notwendigkeit eines nationalen Dialogs sowie die Durchführung freier und fairer Neuwahlen. Thema waren auch die jüngst beschlossenen EU-Sanktionen gegen 40 Personen, die für Wahlfälschungen und Repressionen gegen die Zivilgesellschaft verantwortlich gemacht werden.

"Überfälliger Schritt"

Die Einigung auf die Sanktionen bezeichnete Schallenberg als "überfälligen Schritt". Die belarussische Zivilgesellschaft erwarte zurecht, dass die EU rote Linien aufzeige. "Wenn demokratische Prinzipien und Werte mit Füßen getreten, wenn Menschen willkürlich verhaftet und gefoltert werden, muss die EU reagieren", so der Außenminister. Die Sanktionen waren zunächst an Zypern gescheitert, das im Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer im Gegenzug eine härtere Gangart der EU gegen die Türkei gefordert hatte.

Schallenberg und Tichanowskaja unterstrichen bei ihrem Treffen auch die Rolle, die der OSZE bei der Überwindung der aktuellen Krise zukomme. Ein wichtiges Signal sei die Aktivierung des sogenannten Moskauer Mechanismus zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen. Positiv bewertete Schallenberg zudem, dass mit dem Grazer Professor Wolfgang Benedek ein ausgewiesener Experte mit der Erstellung eines unabhängigen Berichts betraut worden sei.

"Geist ist aus der Flasche"

Den Widerstand gegen das Lukaschenko-Regime in Belarus hält Schallenberg für unumkehrbar. "Der Geist der Veränderung ist draußen aus der Flasche", hatte er bereits Ende September erklärt.

Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom 9. August gibt es in Belarus immer wieder Proteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko, der seit 26 Jahren Präsident seines Landes ist. Die Wahl will er mit mehr als 80 Prozent gewonnen haben. Die Opposition spricht von massivem Wahlbetrug, auch die EU erkennt das Ergebnis nicht an. Die bis vor kurzem völlig unbekannte Tichanowskaja hatte gegen Lukaschenko kandidiert und musste nach Drohungen gegen ihre Familie nach Litauen fliehen. (schub, 8.10.2020)