Preisgekrönt für wuchtige Klänge: Rojin Shafari.

Foto: H. Samavatian

Bei der Seestadt Aspern ist ja nie ganz klar, ob man es mit einer stadtplanerischen Utopie oder Dystopie zu tun hat. Im Sommer im Wasser planschend hat das Ganze etwas von heiler Kommune, je herbstlicher es jedoch wird, desto entrischer wirkt die abgelegene Stadt in der Stadt. Für ein experimentelles Soundfestival sind das allerdings die besten Voraussetzungen.

Das Sonic Territories findet dieses Jahr zum dritten Mal in Aspern statt und liefert dort an zwei Tagen den mitunter durchaus schrägen Soundtrack zur Enklave. Der umtriebige Medienkünstler und Urbanist Oliver Hangl ruft eine Army Of Guitars an die Front: Fünf Gitarristen improvisieren für einen Spaziergang durch die Betonlandschaften am See, die Besucher lauschen über Kopfhörer im Gehen.

Die Trägerin des Österreichischen Komponistinnen-Preises 2018, Rojin Shafari, fordert ihrem Publikum hohe Konzentration ab. Nicht weil wenig, sondern weil in ihrer Musik so viel passiert. Es geht rasant zwischen Noise und Ambient, Hektik und Ruhe hin und her – ein ständiges Wechselspiel der Stimmungen zeichnet ihre raumgreifenden Arbeiten aus.

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Live und Stream im Duett

Die Gäste, die normalerweise aus dem Ausland anreisen würden, werden heuer per Stream zugeschaltet – was bei so einem Festival auch inhaltlich Sinn ergibt: So passt eine Übertragung aus Taiwan zu jemandem wie dem US-Amerikaner Renick Bell, der sich im Bereich der programmierten Musik via Live-Coding einen Namen gemacht hat, freilich gut.

Bei dieser Form von experimenteller Musik, die oftmals im digitalen Raum entsteht, können Streams und neue digitale Aufführungsformate das Erlebnis sogar verstärken und bereichern und müssen nicht wie ein schlechter Kompromiss wirken:

Wenn Soundkünstlerin Mia Zabelka live in der Seestadt spielt, ihr Counterpart, der in Indien ansa¨ssige Experimentalmusiker Arun Natarajan aber per Livestream hinzugeschaltet wird, könnte das zu Herausforderungen und in Folge interessanten improvisierten Spontanlösungen führen.

Es ist aber ohnehin zu kurz gegriffen, das Sonic Territories als reines Soundfestival zu beschreiben. Medienkunst und Performance haben fast einen ebenso großen Stellenwert, wobei die Kombination mit Klang definitiv im Vordergrund steht. So arbeitet der in Wien lebende Künstler Bernhard Rasinger zum Beispiel mit einer Kombination aus modularen Synthesizern und Lasertechnologie für die audiovisuelle Gesamtverzauberung, während die Schweizerin Rahel Kraft in einer Performance dem Sound von Papier nachspürt. (Amira Ben Saoud, 9.10.2020)