Am späten Nachmittag noch eine berufliche Videokonferenz, nach Feierabend online shoppen und anschließend noch einen Film oder eine Serie streamen. Bereits vor der Corona-Pandemie waren die Segnungen der Technologie und Digitalisierung in manchen Haushalten stets präsent, seither noch in etlichen mehr. Aber investieren Sie auch in jene Unternehmen, die unseren Alltag immer stärker prägen? Also in Microsoft oder Zoom als Anbieter von Videokonferenzen, in die Onlineshoppingtempel von Amazon oder Alibaba sowie Streamingdienste à la Netflix?

Die Entwicklung der Technologiebörse Nasdaq lässt die anderen Aktienmärkte weit hinter sich.
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Wenn ja, dann haben Sie diese Entscheidung wohl kaum bereut – schließlich sind die meisten Technologieaktien geradezu durch die Decke gegangen. Die US-Technologiebörse Nasdaq erzielte gemessen an ihrem Composite Index bis September laufend neue Kursrekorde, bevor eine leichte Korrektur nach unten einsetzte. Die Bilanz der vergangenen fünf Jahre: Der marktbreite S&P-500-Index legte um 69 Prozent zu, der IT-Branchenindex schaffte mit 219 Prozent Zuwachs mehr als das Dreifache.

Wenn Sie nicht dabei waren, trösten Sie sich – selbst die US-Investmentlegende Warren Buffett machte um Technologieaktien viele Jahre einen weiten Bogen. Bis das "Orakel von Omaha", so sein Spitzname, die Meinung änderte und 2016 erstmals in Apple investierte. Inzwischen besitzt Buffett über sein Investmentvehikel Berkshire Hathaway knapp sechs Prozent an Apple, es ist dessen wertvollste Einzelposition. "Ich wünschte, ich hätte viel eher Apple gekauft", sagte Buffett im Februar über seinen Sinneswandel.

Geläuterter Skeptiker

Auch sonst mischt der einstige Skeptiker zunehmend im Technologiesektor mit – und setzte etwa Mitte September mit der Softwarefirma Snowflake erstmals auf einen Börsenneuling. Und es ist nur eines von vielen Unternehmen aus der Technologieecke, die es derzeit an die Börse zieht. Bis August wurde heuer an der Wall Street mit Börseneinführungen aus der Branche ein Gesamtvolumen von 9,2 Milliarden Dollar erlöst. Viele weitere Kandidaten planen bereits ihr Debüt. Aber sind die nach oben geschossenen Notierungen der Technologie noch attraktiv für einen langfristigen Einstieg?

Ja, meint Fondsmanager Bernd Kiegler. Er ist in der Raiffeisen KAG für den Technologie-Aktienfonds zuständig und sieht hinter dem Wachstum des Sektors "Trends struktureller Natur", die andauern sollten. Heuer hätten wegen der Pandemie Lockdowns und Homeoffice die Entwicklung stark beschleunigt. Dies habe gezeigt, dass man mit Digitalisierung auch Kosten sparen könne, sagt Kiegler und nennt ein Beispiel: IT-Lösungen für Homeoffice seien günstiger als Büroflächen zu mieten.

Im Vergleich nicht teuer

Einwände, dass der Technologiesektor zu teuer sei, lässt Kiegler nicht gelten: Einerseits sei er in den USA kaum höher bewertet als der Gesamtmarkt – derzeit koste der S&P 500 etwa den 26-fachen Jahresgewinn, der IT-Branchenindex liege mit dem 28-Fachen nur knapp darüber. Verglichen mit festverzinslichen Anlagen wie Schuldverschreibungen, die derzeit teilweise sogar negative Renditen aufweisen, hält der Fondsmanager Tech-Aktien schon gar nicht für teuer. Die derzeitigen Bewertungen sind aus seiner Sicht "locker zu rechtfertigen".

Kieglers Resümee: "Technologie ist wie schon in den vergangenen Jahren ein interessanter Sektor, weil in ihm Innovation und Wachstum stattfinden." Vergleiche mit der Technologieblase der Jahrtausendwende hält er nicht für angemessen: Im Gegensatz zu damals sei die Branche den Kinderschuhen entwachsen und hochprofitabel.

Vorsicht würde Kiegler jedoch bei den angekündigten Börsengängen – zu den prominentesten und größten dürften heuer Airbnb und die chinesische Ant Financial zählen – walten lassen: Neulinge seien derzeit oft bei der Ausgabe hoch bewertet, man sollte erstmals abwarten, wo sich der Kurs im Handel einpendelt. (Alexander Hahn, 12.10.2020)