Zwei starke Männer der SPÖ sollen in den U-Ausschuss: Franz Schnabl (links) und Michael Ludwig (rechts).

Foto: APA/Jäger

Die Stimmung zwischen der ÖVP und den anderen Fraktionen hat im U-Ausschuss einen neuen Tiefpunkt erreicht. Dafür sorgen nicht nur die wiederholten Rücktrittsaufforderungen an den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP), auch die neuen Ladungslisten für das Frühjahr 2021 gießen Öl ins Feuer. Die Meinungsverschiedenheiten eskalierten sogar so weit, dass die Grünen ihren eigenen Koalitionspartner überstimmten – auch wenn das gemeinsame Abstimmen im U-Ausschuss keine Koalitionsbedingung ist.

Am Freitag stellte die ÖVP eine weitere Eskalationsstufe in den Raum: Wenn es sein müsse, werde sie den Verfassungsgerichtshof (VfGH) anrufen, so ein Fraktionssprecher zum STANDARD. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass eine Minderheit an Abgeordneten das Höchstgericht einschaltet, wenn eine Mehrheit eine Ladung ablehnt. Vor Gericht muss dann der Bezug zu den Untersuchungsthemen geklärt werden. Bislang ist das in Österreich noch nie vorgekommen. Der VfGH hatte sich jedoch anderweitig mit diesem U-Ausschuss befasst: Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne hatten nämlich gegen eine Reihe von Untersuchungsthemen gestimmt, die SPÖ und Neos vorgeschlagen hatten. Hier bekam die Opposition vor dem Höchstgericht recht.

Stein des Anstoßes war die Ladung zweier aktiver Ausschussmitglieder, nämlich von Christian Hafenecker (FPÖ) und Christoph Matznetter (SPÖ). Die ÖVP wollte Hafenecker befragen, weil er als damaliger Generalsekretär der FPÖ "in regelmäßigem Austausch mit den Akteuren der Ibiza-Affäre" gestanden war. Matznetter sollte hingegen zu lange zurückliegenden, damals aber regelmäßigen Inseraten der Novomatic im Magazin des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands (SWV), dessen Präsident er ist, Stellung nehmen.

Revanche für Sobotkas Ladungen

Die ÖVP habe damit gegen zwei Gepflogenheiten verstoßen, hieß es von der politischen Konkurrenz: Erstens sei es ein ungeschriebenes Gesetz, dass keine Ausschussmitglieder gegen deren Willen geladen werden, zweitens müssten Ladungsbegehren 24 Stunden vorab den anderen Fraktionen vorgelegt werden. Die Volkspartei hält dagegen, dass die SPÖ eine frühere Ladungsliste selbst spontan vorgelegt und außerdem das aktive Ausschussmitglied Wolfgang Sobotka (ÖVP) geladen habe – und sogar für das Frühjahr noch einmal zu laden plane. Das Gegenargument des Gegenarguments: Sobotka könne als Vorsitzender das Gremium mehr beeinflussen als ein einfaches Mitglied.

Jedenfalls ist der Unmut groß: SPÖ und Neos zielten mit ihren Ladungsbegehren auf Herz und Hirn der Volkspartei ab; in den Ausschuss zitiert werden weitere Regierungsmitglieder sowie hochrangige Berater, beispielsweise Stefan Steiner und Antonella Mei-Pochtler. Die Volkspartei "revanchiert" sich mit der Ladung von sozialdemokratischen Größen wie dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, Finanzstadtrat Peter Hanke, dem einstigen burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl sowie dem niederösterreichischen SPÖ-Chef Franz Schnabl. Auch Altkanzer-Sohn Niko Kern soll kommen müssen.

Akten zu Novomatic-Verbindungen der SPÖ

Noch ärgerlicher für die SPÖ dürfte aber ein Verlangen der Volkspartei sein, zusätzliche Akten für den U-Ausschuss beizuschaffen. Geliefert werden sollen "sämtliche Akten und Unterlagen" zur SPÖ Wien und ihrem 1.-Mai-Fest – das jahrelang von der Novomatic-Tochter Admiral gesponsert wurde; zum Sozialdemokratischen Wirtschaftsverein, Schnabls Verein Pro NÖ und dem ASV Draßburg. Letztgenannter Fußballklub erhielt Novomatic-Sponsoring, obwohl er lange Zeit nur Viertligist war. Die Opposition vermutet, dass das mit dem Präsidenten des Klubs zu tun hat: dem einstigen burgenländischen SPÖ-Klubobmann und späteren Landesrat Christian Illedits.

Die ÖVP ändert also ihre Strategie: Anfangs versuchten die Türkisen immer wieder, den Fokus zurück auf die FPÖ zu richten. Das bleibt zwar teilweise so – sollen doch Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus und Klubobmann Herbert Kickl im Frühjahr in den U-Ausschuss kommen. Hauptsächlich will die ÖVP nun aber die roten Beziehungen zur Glücksspielbranche thematisieren. (Fabian Schmid, 9.10.2020)