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Neues Ungemach in der Causa Ischgl für den Tiroler Landeshauptmann Günther Platter.

Foto: REUTERS/Lisi Niesner

Kurz vor Beginn der neuen Wintersaison in den Tiroler Bergen also wieder zurück an das Ende der vergangenen: Der Corona-Ausbruch in Ischgl und Umgebung hatte ja zum vorzeitigen Ende der Haupteinnahmequelle im Tirol-Tourismus gesorgt. Am Montag wird der Bericht jener Expertenkommission präsentiert, die Versäumnisse in Ischgl aufzeigen und daraus Lehren für zukünftiges Handeln ziehen soll. Wohl auch, um die wackelnde Saison zu retten.

Böse Zungen behaupten, die Ansetzung der Berichtspräsentation einen Tag nach der Wien-Wahl sei Kalkül, um mediales Interesse klein zu halten. Falls dies die Intention der Landesregierung war, wurden diese Pläne am Donnerstagabend durchkreuzt. "ZiB 2" und "Profil" berichteten von angeblicher Vertuschung durch Tiroler Behörden zu Beginn der Gesundheitskrise.

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Aus Staatsanwaltschaftsakten gehe hervor, dass der Bezirkshauptmann von Landeck, Markus Maaß, nach Absprache mit Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) vorschlug, Ischgl "vorerst aus dem Schussfeld" zu halten, indem man verlautbart, die infizierten isländischen Reiserückkehrer hätten sich im Flieger angesteckt.

Vier Beschuldigte

Auch ist mittlerweile klar, dass noch wenige Stunden vor der Presseaussendung vom 8. März, wonach eine "Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich" sei, eine Mitarbeiterin der Landessanitätsdirektion im Tiroler Krisenstab Schlimmes befürchtete und viele Krankheitsfälle im Zusammenhang mit der Bar für "wahrscheinlich" hielt. Damit konfrontiert, sagte die Landesregierung: "Die Behauptung, dass in der Öffentlichkeit ein anderes Bild gezeichnet wurde, ist unrichtig." Viel mehr wollte man nicht sagen und verwies auf den Kommissionsbericht am Montag.

Tatsächlich gibt es in der Causa Ischgl vier Beschuldigte, die seitens der Staatsanwaltschaft einvernommen werden. Wie ein Insider dem STANDARD mitteilte, dürften jene vier Ermittlungen nur vier Tage nach einer entsprechenden Sachverhaltsdarstellung, eingebracht durch die Expertenkommission, eingeleitet worden sein. Nicht nur die zeitliche Abfolge – noch dazu über ein Wochenende – sei "abenteuerlich schnell", auch dass die Aussagen bei einer unabhängigen Kommission von der Staatsanwaltschaft benützt werden könnten, sei zweifelhaft.

Beweismittelsicherung

Auch die Art der Beweismittelsicherung werfe Fragen auf, heißt es. So sei etwa das Handy des beschuldigten Ischgler Bürgermeisters Werner Kurz nicht beschlagnahmt worden. Die Ermittler hätten sich mit Screenshots der gesuchten Chats abspeisen lassen.

Wie der "Semiosisblog" aus Staatsanwaltschaftsakten berichtet, hätten die Polizeibeamten angeblich nur die Kommunikation auf Papier mit dem Original am Handy verglichen, "da der gesamte Chatverlauf, der ausschließlicher Gegenstand der Sicherstellungsanordnung war, bereits in Papierform vorhanden war".

Druck auf Medien

Laut dem Blogger Sebastian Reinfeldt finden sich in den übergebenen Chatprotokollen auch Spuren davon, wie Druck auf Medien ausgeübt worden sei, die Causa Ischgl klein zu halten. So informierte etwa ein Vertreter des lokalen Tourismusverbandes im Ischgler-"Corona"-Chat darüber, dass die Kommunikationsabteilung des Landes bereits in Kontakt mit "Oe24" sei und "massiven Druck" ausübe, nachdem das Portal über infizierte isländische Ski-Urlauber berichtet hatte.

Für Peter Kolba, Verbraucherschützer und Einbringer von Amtshaftungsklagen gegen die Republik, erwecken diese Erkenntnisse jedenfalls den Anschein, als würde man sich "auf die untere Linie der Hierarchie konzentrieren", während die wirklich mächtigen Personen in der Landesregierung nichts zu fürchten hätten. Laut dem Vorsitzenden der Kommission, Ex-OGH-Vizepräsident Ronald Rohrer, war unter den 50 einvernommenen Personen der Kommission auch LH Platter. (Fabian Sommavilla, 9.10.2020)