Er sei kein Hawaii-Typ mit Sixpack, sagt Tino Wieser, Chef von Palmers. Er führte in seiner Dessouskette daher die Größe XXL ein und sieht die Zeiten vorbei, in denen sich Sex gut verkaufte.

Palmers-Chef Tino Wieser: Wir müssen Maske tragen, uns die Hände waschen, Abstand halten. Na und?
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STANDARD: Menschen lungern in Jogginghose und ausgewaschenem Shirt vor dem Computer. Wer braucht in Zeiten von Distanz und Homeoffice noch Spitzenunterwäsche?

Wieser: Daheim wird altes Gewand angezogen. Verbringen die Leute jedoch viel Zeit miteinander, ist es ihnen etwas wert, sich Neues zu kaufen. Pyjamas, Nachthemden, Loungewear, mit der man auf der Couch herumknotzt, waren in der Phase des Lockdowns unsere Spitzenprodukte. Verlierer war die Strumpfhose.

STANDARD: Auf Sportunterwäsche umzusatteln hat Sie nicht gereizt?

Wieser: Für Funktionswäsche muss man Spezialist sein, da gibt es Leute, die können das besser.

STANDARD: Der Shutdown hat Sie zwölf Millionen Euro gekostet. Würde Palmers einen weiteren überleben?

Wieser: Wir haben den ersten Lockdown gut überstanden. Wir waren vorbereitet, er kam nicht von einem Tag auf den anderen. Wir mussten bis dahin das Büro in Hongkong ja schon zweimal schließen. Wir beantragten Förderungen und Hilfen, die wir teils auch rasch bekamen. Und wir warfen keinen einzigen Mitarbeiter raus. Aber zwölf Millionen Umsatz zu verlieren ist eine Katastrophe. Das muss man ganz klar sagen. Wer ein Drittel des Jahres ohne Umsatz überleben will, braucht eine Gewinnmarge von 30 Prozent. Davon sind wir kilometerweit entfernt. Ein zweiter Lockdown bringt den Handel um.

STANDARD: 2020 wird für den Großteil des Handels ein verlorenes Jahr. Wie stecken Sie das weg?

Wieser: Es tut mir leid für die Leute, die in den letzten Jahren hier so hart gehackelt haben. Wir übernahmen Palmers als Restrukturierungsfall, wir waren auf gutem Weg. Das Jahr heuer wird in die Geschichte eingehen. Für Palmers hätte es das beste der vergangenen 30 Jahre werden können. Verschieben wir es.

Tino Wieser: "So wie die Banken heuer mit Krediten umgingen, so wirst du dein ganzes Leben lang keinen Kredit mehr bekommen."
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STANDARD: Viele Händler klagten, dass die finanziellen Hilfen der Regierung zu spät ankamen.

Wieser: Das kann ich nicht bestätigen. Waren Anträge kompliziert? Ja, klar. Leben wir in einem Verwaltungsstaat? Ja, klar. Aber wenn du mit einer einzigen A4-Seite fünf Millionen Euro erhältst, stehen Tür und Tor für Betrug offen. Was, wenn kein Geld zurückfließt? Wer einmal Kreditanträge gestellt hat, der kennt den Aufwand. Das kann nicht überraschen. Und jedes größere Unternehmen sollte Business- und Finanzpläne für die nächsten drei Jahre haben. So wie die Banken heuer mit Krediten umgingen, so wirst du dein ganzes Leben lang keinen Kredit mehr bekommen.

STANDARD: Im September kehrte die Maskenpflicht in den Handel zurück. Wer hat da noch Lust aufs Einkaufen?

Wieser: Spaß macht es keinen. Es gilt aber, einen zweiten Lockdown zu verhindern. Viele tun, als wären wir unbesiegbar. Es gibt dieses Virus, es ist zu bekämpfen. Wir müssen eine Maske tragen, uns die Hände waschen, Abstand halten. Na und? Es gibt Schlimmeres. Was geht in Afrika, was in Indien ab? Wir leben trotz aller wirtschaftlichen Probleme auf einer Insel der Seligen.

STANDARD: Palmers produziert mit Lenzing nun Schutzmasken, was von der Politik bejubelt wurde. Ihre Schwägerin ist die Büroleiterin von Sebastian Kurz. Dieses Naheverhältnis zum Bundeskanzler sorgte für Irritationen.

Wieser: Die Frau meines Bruders ist bereits seit zwölf Jahren Assistentin von Kurz. Meine volle Überzeugung ist, etwas gegen Corona zu tun. Und wir haben die Verantwortung, Umsätze fürs Unternehmen zu generieren. Es war richtig, dass die Regierung es begrüßte, dass wir Masken herstellen. Versprochen, uns etwas abzunehmen, hat sie nie. Ich halte es jedoch für falsch, dass sie aufgrund dieses Naheverhältnisses nicht bei uns einkaufte. Es gab die Angst vor einer schiefen Optik. Nun fließen Wertschöpfung und Steuern ins Ausland ab.

STANDARD: Waren Ihre Masken der öffentlichen Hand zu teuer?

Wieser: Deutsche, Franzosen, Spanier gaben in Ausschreibungen eigenen Produzenten den Vorzug. Warum tat Österreich das nicht? Masken kosteten in China einen Dollar, ich habe sie für 40 Cent angeboten, jetzt im Großhandel für 25 Cent. Wir trieben dann Alternativen auf. Es gibt unsere Masken nun bei Hofer, Spar, Rewe, Libro, Pagro und in fast jeder Apotheke. Bei ihrer Produktion am meisten geholfen hat uns Johanna Mikl-Leitner (Landeshauptfrau von Niederösterreich, Anm.).

STANDARD: Wie das?

Wieser: Eine Betriebsstättengenehmigung dauert in Österreich normal drei Monate. Sie sagte: "Wir haben Krise, ich rufe wen an, der kommt morgen vorbei, wir regeln das. Macht mir halt keine Schande."

Palmers produziert gemeinsam mit Lenzing Masken. Die Politik applaudierte und half bei der Betriebsstättengenehmigung.
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STANDARD: Spielen Sie mitunter mit dem Gedanken, in die Politik zu gehen?

Wieser: Um Gottes willen. Ich bin sehr unpolitisch. Als Unternehmer wählt man ja schwarz, als Klimabedachter grün und als stolzer Österreicher die FPÖ. Geht's um weniger Steuern, wählst du die Neos, für Arbeitsrecht die SPÖ. Ich würde aus allem etwas nehmen. Das ist nicht mehrheitsfähig. Der Job eines Politikers ist kein leichter: Du musst allen gefallen, ohne die Wahrheit sagen zu können. Da bin ich lieber Unternehmer, der etwas bewegt.

STANDARD: Der Wäschemarkt erlebt seit Jahren eine Zerreißprobe. Wolford und Huber sind in der Krise, Triumph restrukturierte. Diskonter und branchenfremde Anbieter wildern in Ihrem Revier. Wie viel Spielraum bleibt da noch?

Wieser: Ich komme aus gesättigten Märkten. Ich weiß, wie man damit umgeht. Konkurrenz gibt es überall. Bei Oberbekleidung schmolz sie auf ein paar große Player zusammen. Im Elektrohandel ebenso. Wo sind Cosmos, Köck, Niedermeyer? Palmers hat über 50 Prozent Stammkunden, die unsere Ware zu schätzen wissen.

STANDARD: Palmers tut sich im Ausland schwer. Werden Sie sich von Filialen außerhalb Österreichs trennen?

Wieser: Es ist ein Teil der Überlegungen, aber nicht mein Ziel. Wir leiden unter Deutschland und Tschechien. Das Auslandsgeschäft belastet uns. Aber letztlich wiegt es nicht so schwer, da wir 80 Prozent des Umsatzes in Österreich machen. Hätten Sie mich vor Corona gefragt, hätte ich gesagt: Klar halten wir daran fest. Fragen Sie mich in Zeiten von Corona, sage ich: Keine Ahnung.

STANDARD: Onlineriesen graben stationären Einzelhändlern Umsätze ab, seit der Krise mehr denn je. Lässt sich das je wieder zurückerobern?

Wieser: Auch unser Webshop wuchs um 150 Prozent. Bei Unterwäsche braucht es aber Haptik. Machen wir uns nichts vor: Wir brauchen uns nichts zu kaufen. Alle Kästen sind voll. Einkauf hat soziale Komponenten, man belohnt sich, liebt es, zu flanieren, genießt die Beratung. Das kann Onlinehandel so nicht bieten.

Palmers eröffnet heuer in Österreich weitere Filialen. Das Geschäft im Ausland belastet.
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STANDARD: Wo kauft Palmers ein?

Wieser: Der Großteil unserer Waren kommt aus Europa: Strümpfe von Wolford und aus Italien, Bademode aus der Türkei und Portugal, Basic aus Deutschland. Bei Spitzenwäsche ließ sich Europa das Know-how abluchsen, sie kommt aus Asien. Viele tun so, als wäre dort alles furchtbar. Dabei sind uns viele Produzenten in Asien weit voraus.

STANDARD: Menschenrechtsorganisationen sehen das anders.

Wieser: "Made in China" hatte vor 20 Jahren ein negatives Image. Das ist vorbei. Wir tun aber immer noch so, als hätten wir die sozialpolitische Romantik gepachtet. Es gibt dort bei den Produktionen Schulen und Kindergärten. Am Empfang begrüßt einen der Roboter und bringt als Butler das Essen aufs Zimmer. Klar gibt es schwarze Schafe, aber nicht, wo wir fertigen. Wir haben zwölf Leute in Asien, die darüber wachen. Es gibt für uns nichts Schlimmeres, als die Meldung, dass wir im Hinterland von China fertigen, wo Mitarbeiter verhungern.

STANDARD: Zahlen Konsumenten in Österreich für "made in Europe" mehr?

Wieser: Wir haben es mit "made in Austria" probiert. Nur wenige wissen es zu schätzen. Sind wir uns ehrlich: Der Mensch giert danach, es billig zu bekommen. Am Ende des Tages entscheidet immer der Preis.

STANDARD: Hat die Krise die Lieferströme verändert?

Wieser: Absolut. Die gesamte Nachfrage im Textilhandel ist gesunken. Wir wussten das zu nutzen. Viele Große stiegen hart auf die Bremse, stornierten 30 Prozent ihrer Bestellungen. Sie drohten, künftig woanders einzukaufen. Die Produzenten überlegten sich daher Pönalen gut. Wir konnten uns in den freien Slots gut bewegen. Bist du klein, schnell und wendig, hat das Vorteile.

STANDARD: Wie rauft man sich als Händler mit den Vermietern zusammen?

Wieser: Es gibt ein Gesetz, das sieht vor, Miete auszusetzen, wenn es behördliche Anordnungen gibt. Dagegen spricht, dass der Vermieter nichts dafür kann und dort Ware lagert. Die Politik hat gut reagiert, indem sie sagte, dass das Nichtbezahlen der Corona-Miete kein Grund zur Kündigung ist. Wir warten jetzt ab, bis die rechtliche Lage geklärt ist. Unser ältestes Geschäft ist in der Linz-Promenade, wir sind dort seit bald 100 Jahren eingemietet. Zahlt man 1.200 Monate pünktlich die Miete und fällt eine aus, dann bleibt man in gutem Einvernehmen. Mieten in Fixkosten reinzurechnen wäre jedoch Förderungsbetrug. Das ist ein legales Leck.

STANDARD: Sie üben sich in neuen Filialen künftig auch im Verkauf von Kerzen und Kissen. Wie riskant ist es, sein Kerngeschäft zu verlassen?

Wieser: Angst ist ein schlechter Berater. Wir haben zuvor viel Marktforschung rund um Heimtextilien betrieben, unsere Kunden gefragt, was sie bei uns gern kaufen würden. Ich höre da auch auf meine Frau.

Präsentation der neuen Kollektion. Die Zeiten von "Sex sells" sind vorbei, meint Palmers-Chef Tino Wieser.
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STANDARD: Palmers sorgte mit sexistischer Werbung regelmäßig für Empörung. Mittlerweile zeigen Ihre Sujets auch Models mit durchschnittlichen Konfektionsgrößen. Was hat Sie seit den "Osterhöschen" geläutert?

Wieser: Das Plakat hat mein Bruder gemacht, ich fand es nicht richtig. Es war ein Hoppala. Eine Frau, meine Frau, weiß genau, was sie will. Das Frauenbild hat sich verändert. Und schauen S' mich an. Ich bin kein Hawaii-Typ mit Sixpack. Möchte ich anders sein? Ja. Habe ich Zeit, täglich ins Fitnesscenter zu gehen? Nein. Ob das nun Ausrede oder Rechtfertigung ist. Man kann auch Frauen nicht vorschreiben, wie sie zu sein haben. Wo simma denn? Ich habe bei Palmers die Größe XXL eingeführt, damit für mich etwas dabei ist.

STANDARD: Verkauft sich Sex nicht mehr so gut?

Wieser: Die Zeiten von "Sex sells" sind vorbei. Was nicht heißt, dass wir nicht sexy Wäsche anbieten. Aber als Unternehmer trägt man gesellschaftliche Verantwortung, welches Image vermittelt wird.

STANDARD: Sie führen Palmers mit Ihrem Bruder Luca und Matvei Hutman. Ihr zweiter Bruder zog sich zurück. Wie schnell gerät man sich in Familienbetrieben über Kreuz?

Wieser: Es war geplant, dass er sich nach drei Jahren zurückzieht. Ist es zu romantisch, zu sagen, wir streiten nicht? Logisch, dass Luca und ich Meinungsverschiedenheiten haben, manchmal sind wir aufeinander angefressen. Es ist wie in einer Ehe. Vielleicht habe ich den Vorteil, zehn Jahre älter zu sein.

Tino Wieser: "Ich will Palmers auf Vordermann bringen. Ich will damit nicht reich werden."
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STANDARD: Palmers gehört zur Hälfte einer Liechtensteiner Stiftung. Warum Liechtenstein?

Wieser: Es geht nicht um Steuerschonung. Es ist eine Stiftung, die unser Partner, Familie Hutman, 1976 geerbt hat. Ihre Investitionen in Palmers kamen aus dieser Stiftung.

STANDARD: In der Branche heißt es, Palmers werde mit Geld aus der Ukraine finanziert.

Wieser: Matvei Hutman wurde in Russland geboren, er wuchs in der heutigen Ukraine auf, lebt aber seit seinem zwölften Lebensjahr in Wien. Da gibt es nichts zu verheimlichen und zu verstecken. Die Österreicher neigen dazu, alles, was aus dem Ausland kommt, prinzipiell für schlecht zu erklären. Österreich ist ein Neidstaat. Das ist das Einzige, was ich an dem Land nicht mag. Seien es die Masken, seien es Steuern, was immer du sagst, alles wird auf Gier hinterfragt.

STANDARD: Was treibt Sie bei der Sanierung von Palmers an?

Wieser: Ich will Palmers auf Vordermann bringen. Ich will damit nicht reich werden. Ich komme aus einer Familie der Textilhändler. Nachdem meine Eltern pleitegingen, wollte ich Insolvenzverwalter und Sanierer werden. Aber der Handel fing mich wieder ein. Auf meinem ersten Kreditvertrag stand Student. Hilfe aus der Familie gab es nie. Das hat Tradition bei uns. Jeder muss seinen Job selbst machen. Und das tat ich. (Verena Kainrath, 10.10.2020)