Foto: Senckenberg/Britz

Er ist von überschaubarer Attraktivität, vor allem aber lebt er unterirdisch in wasserführenden Gesteinsschichten: Das hat einem etwa zehn Zentimeter langen Fisch, der vor einem Jahr in Indien entdeckt wurde, den Namen Gollum eingebracht – genauer gesagt die Bezeichnung Aenigmachanna gollum. Neue Erkenntnisse zu diesem Schlangenkopffisch präsentierte nun das deutsche Senckenberg-Forschungsinstitut.

Schlangenkopffische sind schlank gebaute Süßwasserfische, die mit einigen Dutzend Arten in den Tropen Afrikas und Asiens vertreten sind. Einige davon sind Grundwasserbewohner – wie jene, die entlang des Küstensaumes der Western Ghats, eines Gebirges im Westen Indiens, leben und nirgendwo sonst vorkommen. Zehn Arten hat man dort seit 1950 entdeckt, Gollum war der jüngste Neuzugang, wie Senckenberg-Forscher Ralf Britz erklärt. Und sie alle hätten das Problem, dass ihr Lebensraum für mehr als sechs Millionen private Brunnen angebohrt wird. Eine gesteigerte Wasserentnahme könnte ihnen also buchstäblich die Lebensgrundlage entziehen.

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Prägende Kontinentalverschiebung

Anhand von computertomografischen, molekulargenetischen und morphologischen Untersuchungen konnten Britz und seine internationalen Kollegen einige signifikante Unterschiede zwischen der untersuchten Art und weiteren Vertretern der Schlangenkopffische aus der Familie Channidae feststellen. "Besonders auffällig sind die verkürzte Schwimmblase, die schon in der Körpermitte endet, und das Fehlen des akzessorischen Atmungsorgans", erläutert der Dresdner Biologe. Aufgrund dieser Unterschiede ordnen sie den Fisch nun einer neuen Familie zu, den Aenigmachannidae. Bislang ist er deren einziges Mitglied – auch dieser Gollum ist also einzigartig.

Während die Neueinordnung eher nur für Taxonomie-Fans interessant ist, gibt der Fisch auch einige Einblicke in eine bewegte Vergangenheit – denn der Unterweltbewohner dürfte in seinem verborgenen Lebensraum die Kontinentalverschiebung mitgemacht haben. Zumindest halten die Forscher das für die Erklärung, warum der Fisch einige evolutionär sehr ursprüngliche Merkmale aufweist.

Die phylogenetische Analyse zeige, dass die neue Familie und deren Schwestergruppe Channidae sich vor mindestens 34 oder sogar 109 Millionen Jahren getrennt haben. "Es erscheint plausibel, dass die Aenigmachannidae eine evolutionäre Linie sind, die das Auseinanderbrechen des Superkontinents Gondwana vor etwa 100 Millionen Jahren überlebte und dann mit dem indischen Subkontinent nach Norden driftete. Man kann die Tiere daher auch als 'lebende Fossilien’ innerhalb der Schlangenkopffische bezeichnen", sagt Britz. (red, 12.10.2020)

Foto: Senckenberg/Britz