Vor allem junge, gesunde Frauen, die bereits Symptome ihres Tumors spürten, sind im Frühling zum Arzt gegangen.

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Während des Lockdowns im Frühjahr haben sich viele Menschen nicht in medizinische Einrichtungen getraut – aus Angst vor einer Ansteckung oder weil aktiv dazu aufgerufen wurde, Spitäler und Ordinationen nur in Notfällen zu betreten. Nach und nach wird das Ausmaß der Folgen klar: Viele Krankheiten wurden nicht oder zu spät diagnostiziert.

So etwa auch viele Brustkrebs- und gynäkologische Krebserkrankungen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Im Zuge der Untersuchung wurden Daten von 2.077 Patientinnen ausgewertet, die in 18 medizinischen Zentren in Österreich von Jänner bis Mai 2019 sowie im selben Zeitraum 2020 eine Neudiagnose erhalten haben. Die Ergebnisse zeigen: Im März 2020 gab es um 24 Prozent weniger Neudiagnosen als im selben Zeitraum des Vorjahres, im April waren es – ebenso wie im Mai – jeweils sogar um 49 Prozent weniger.

Zudem kamen vor allem Frauen in die Zentren, die bereits an Symptomen ihres Tumors litten – mehr als in den Jahren davor. Vorsorge, also die Untersuchung ohne Anlass, wurde eher vernachlässigt. "In dieser Zeit haben sich vor allem junge und gesunde Frauen ohne zusätzliche Erkrankungen untersuchen lassen", sagt die Erstautorin der Studie, Irina Tsibulak von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Innsbruck, und vermutet, dass ältere Frauen oder jene mit Komorbiditäten noch größere Angst vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 hatten.

Jetzt mehr los

Aktuell zeige sich ein "Rebound-Effekt", wie Tsibulak es nennt: "Wir sehen jetzt alle diese Diagnosen, in den Zentren ist nun eindeutig viel mehr los, als um diese Jahreszeit üblich." Die Forschenden arbeiten daher an einer zweiten Auswertung, die auch die Effekte in den Monaten nach dem Lockdown untersuchen soll.

Dass viele Frauen aufgrund der Verzögerung erst in einem späteren Stadium diagnostiziert werden konnten, hat die durchgeführte Studie nicht ergeben, so Tsibulak – und weiter: "Noch wissen wir nicht genau, was die Konsequenzen sein werden."

Bei Therapien sei es, so die Medizinerin, jedoch nicht zu Verspätungen gekommen. Zwar wurde bei manchen Frauen erst mit einer Chemo und dann erst mit einer OP therapiert, um die Intensivstationen nicht zu belasten, es wurde aber "bei keiner Patientin eine OP aufgrund von Covid verschoben", so die Erstautorin.

Die Forschenden warnen dennoch vor dem erneuten Fehler, Vorsorge als etwas Unwichtiges zu betrachten. "Auch in Zeiten der Pandemie können wir nicht darauf verzichten", sagt Tsibulak.

Weniger Untersuchungen

Bereits vor einem Monat hatten Medizinerinnen und Mediziner berichtet, dass während des Lockdowns um 40 Prozent weniger Mammakarzinome entdeckt wurde. Auch wenn viel aufgeholt wurde, lag die Zahl der Screenings zu diesem Zeitpunkt immer noch um 15 Prozent unter jener des Vorjahres.

Laut der Fachgruppe Radiologie der Österreichischen Ärztekammer ist die Frequenz an Screeninguntersuchungen im März und April um 70 bis 80 Prozent zurückgegangen. Vor allem die asymptomatischen, sogenannten "screen-detected" frühen Krebsstadien wurden in dieser Zeit nicht diagnostiziert.

Die Angst vor einer Ansteckung im Krankenhaus ist unbegründet, versichern Ärztinnen und Ärzte immer wieder, da die Sicherheitsstandards in medizinischen Einrichtungen sehr hoch seien. (Bernadette Redl, 9.10.2020)