Premier Andrej Babiš und Gesundheitsminister Roman Prymula riefen bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz in Prag zu mehr Disziplin auf.

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Es war ein dramatischer Appell, mit dem Tschechiens Premierminister Andrej Babiš am Freitagnachmittag in Prag vor die Presse trat: "Die Lage ist sehr ernst", erklärte er und forderte seine Landsleute auf, die bereits geltenden Anti-Corona-Maßnahmen einzuhalten – genau wie jene, die am Montag zusätzlich in Kraft treten werden.

Die neuen Beschränkungen wurden nötig, nachdem die Infektionszahlen zuletzt rapide in die Höhe geschnellt waren. Allein am Donnerstag verzeichnete das Zehn-Millionen-Einwohner-Land Tschechien fast 5.400 Neuinfektionen und zählt somit zu den größten Sorgenkindern in Europa.

Der neue Gesundheitsminister Roman Prymula, selbst Epidemiologe, beteuerte auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Babiš zwar, dass sich die aktuellen Schritte der Regierung auf den Freizeitbereich konzentrieren würden und die Wirtschaft möglichst wenig belasten sollten. Etliche Sektoren des öffentlichen Lebens müssen aber wohl erneut mit gravierenden finanziellen Konsequenzen rechnen. So werden etwa Kultureinrichtungen geschlossen und die meisten Sportveranstaltungen gecancelt. In der Gastronomie schlägt die Sperrstunde um 20 Uhr.

Die Maßnahmen gelten zunächst für zwei Wochen. Danach könnten sie wieder zurückgenommen werden, Babiš schloss aber umgekehrt auch einen erneuten Lockdown nicht mehr aus.

Wechsel bei den Kommunisten

Tschechien hatte die Corona-Pandemie im Frühjahr erfolgreich bekämpft, im Sommer folgten umfassende Lockerungen. Kritiker beschuldigen die Regierung, im Vorfeld der Regionalwahl von vergangener Woche auf unpopuläre Maßnahmen verzichtet zu haben.

Die liberal-populistische Partei Ano von Premier Babiš hat die Wahl in den meisten Kreisen gewonnen, die sozialdemokratischen Koalitionspartner (ČSSD) und die Kommunisten (KSČM) erlitten jedoch herbe Verluste. Am Freitag erklärte der langjährige KSČM-Chef Vojtěch Filip, er werde sich von der Parteispitze zurückziehen. Die Auswirkungen seiner Entscheidung auf die Regierung Babiš, die von den Kommunisten toleriert wird, sind vorerst unklar.

Am Samstag geht zunächst die zweite Runde der Teilsenatswahlen zu Ende. Dabei wird ein Drittel der Sitze im Oberhaus des Parlaments neu besetzt. Die erste Runde fand vor einer Woche gemeinsam mit den Regionalwahlen statt. (Gerald Schubert, 9.10.2020)