Weit und breit kein schöner Mensch: Lodovico Ottavio Burnacini zeichnete deftige Karikaturen, hier ein "Trio des Freudenhauses".

KHM Museumsverband

Die Ära des Barock war – siehe Sonnenkönig Ludwig XIV. – eine Zeit schwindelerregender Verkleidungen, eine Zeit der Maskenbälle und des Theaters. Und das auch abseits des Hofes, wie die Popularität der Commedia dell’arte zeigt. Auf einen von der Kunstgeschichte vergessenen Protagonisten dieser Epoche richtet nun das österreichische Theatermuseum in einer Ausstellung seine ganze Aufmerksamkeit: Lodovico Ottavio Burnacini (1636–1707). Der gebürtige Italiener war 55 Jahre lang unter drei Habsburger Regenten oberster Theateringenieur am Wiener Hof.

In dieser Position fungierte er nicht nur als Mastermind lustiger Redouten, sondern war Bühnen- und Kostümbildner, Regisseur, Maschinist und Architekt zuhanden seiner Majestät. So entwarf Burnacini beispielsweise die Pestsäule am Wiener Graben. Für die kleine, drei Räume umfassende Schau Groteske Komödie hat das Theatermuseum in Zusammenarbeit mit dem italienischen Kulturinstitut Exponate zusammengetragen, die eine Ahnung vom Schaffen des Fantasten geben.

Bitte mit Lupe!

Im Zentrum stehen Handzeichnungen Burnacinis aus der hauseigenen Sammlung inklusive Leihgaben aus dem Kunsthistorischen Museum, die das Wesen der Komödie und der Groteske damals und davor verbildlichen. Dabei handelt es sich nicht einfach um Werkstattskizzen, sondern um ausgefeilte Zeichnungen, die als Dokument und Erinnerung vermutlich für den Kaiser angefertigt wurden. Die bis heute erhaltene Leuchtkraft der Farben ist beachtlich und auf wertvolle Pigmente zurückzuführen (die Röntgenfluoreszenzanalyse wird in der Schau erklärt).

Sich eine Lupe mitzunehmen kann den Besuch der Ausstellung verschönern. Die filigranen Details in den 125 (von insgesamt 400 erhaltenen) Zeichnungen und Stichen lassen sich so genauer studieren. Man blickt dann noch tiefer in die Augen und grässlich geöffneten Mäuler der monströs zwischen Mensch und Tier oszillierenden Figuren aus Burnacinis abgründiger Fantasiewelt. Der Theaterkünstler vermischt Visionen der Hölle grotesk mit der Wirklichkeit und mit menschlichen Karikaturen. Man findet keinen einzigen schönen Menschen in diesen Wimmelbildern, die von Callot, Arcimboldo und Bruegel nicht unbeeinflusst blieben.

Kostümrekonstruktionen

Burnacini hat tausende Kostüme für Aufführungen, Umzüge und Feste der Habsburger entworfen. Auf dem damaligen Rosstummelplatz (heute Josefsplatz hinter der Hofburg) gab es so gut wie täglich Komödienspiele, auch von internationalen Commedia-Truppen. Einige mithilfe des Ateliers Porto Arlecchino aus Pordenone rekonstruierte Kostüme und Masken sind ebenfalls in der Schau zu sehen. Übrigens: Bis ins 18. Jahrhundert waren auf Wiener Bühnen die Frauenrollen Männern vorbehalten, ein Umstand, der von großer Verkleidungsbereitschaft zeugt und aus dem sich schließen lässt, dass man das Spiel mit grotesker Körperlichkeit locker nahm.

Eines der tollkühnsten Hobbys waren nächtliche Schlittenfahrten des Adels. Auch für sie hat Burnacini die prächtigen Gefährte designt, auf denen infernalische Geschöpfe ihren Spaß haben. Spiderman war eben noch nicht erfunden. Ein Prachtband von 350 Seiten (40,– Euro) kontextualisiert Burnacinis Schaffen großzügig. Für ihn empfiehlt sich ebenfalls eine Lupe. (Margarete Affenzeller, 10.10.2020)