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Draußen Proteste, drinnen Präsident Alexander Lukaschenko überlebensgroß.

Foto: Reuters / TUT.BY

Minsk – Auf Druck der Führung in Weißrussland (Belarus) haben Polen und Litauen nach ihren Botschaftern nun auch weitere Diplomaten aus dem Nachbarland zurückgerufen. Diesen Schritt gaben die Außenministerien beider Länder am Freitagabend bekannt.

Mehr als 30 polnische Diplomaten würden das Gebiet von Belarus verlassen, sagte Polens Vize-Außenminister Marcin Przydacz. "Die Einschränkung des polnischen Personals ist eine unfreundliche Geste, auf die Polen zu gegebener Zeit in angebrachter Form antworten wird."

Litauen zog fünf Diplomaten aus Minsk ab. "Wir hoffen, dass diese Maßnahme ausreicht, um die Möglichkeit des Dialogs aufrechtzuerhalten", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Vilnius am Freitag der Agentur BNS. Auch sie warnte Minsk, dass Litauen Gegenmaßnahmen ergreifen werde, sollte Belarus die Situation weiter eskalieren.

Österreich wartet noch zu

Österreich bekundete am Freitagabend "volle Solidarität zu seinen EU-Partnern Polen und Litauen", behält sich die Möglichkeit, seine Botschafterin zurückzurufen, aber "für einen späteren Zeitpunkt vor". Österreich verurteile das Vorgehen der belarussischen Behörden, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums. Es gebe aber "eine Vereinbarung unter den EU Partnern, nicht alle Botschafter gleichzeitig abzuziehen. Sie sind nicht nur unsere Augen und Ohren vor Ort – insbesondere nach dem Entzug der Akkreditierungen ausländischer Journalistinnen und Journalisten und dem Vorgehen gegen unabhängige Medien – sondern auch ein wichtiges Bindeglied zur belarussischen Zivilgesellschaft, der wir weiterhin den Rücken stärken müssen."

Sanktionsliste wird länger

Die Europäische Union plant, weitere Amtsträger aus Belarus auf ihre Sanktionsliste mit 40 Offiziellen setzen zu wollen. Auf der Liste finden sich Spitzenpolitiker wie der weißrussische Innenminister und der Chef der Wahlkommission. Die Betroffenen werden mit Einreiseverboten belegt, Konten und Vermögen werden eingefroren. Staatspräsident Alexander Lukaschenke steht noch nicht auf der Liste – obwohl die baltischen Staaten diesbezüglich massiven Druck ausgeübt hatten. Die Bestrafung des Diktators sei das letzte Mittel, sagen einige EU-Mitgliedsländern.

In Weißrussland protestieren die Menschen seit der umstrittenen Präsidentenwahl Anfang August regelmäßig gegen Präsident Alexander Lukaschenko. Der seit mehr als einem Vierteljahrhundert regierende Machthaber reklamiert den Wahlsieg nach dem Urnengang Anfang August mit einem Ergebnis von mehr als 80 Prozent für sich. Die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an. Die Opposition sieht Swetlana Tichanowskaja als wahre Siegerin.

Lukaschenko droht den Demonstranten

Bereits am Dienstag hatten Polen und Litauen ihre Botschafter aus Minsk für Konsultationen zurückgerufen. Aus Solidarität hatten mehrere EU-Staaten – darunter Deutschland – dies ebenfalls getan. Die EU-Mitglieder Polen und Litauen sind Nachbarn von Belarus und haben zuletzt viele Oppositionelle von dort aufgenommen. So floh die Oppositionsführerin Tichanowskaja nach Litauen. Lukaschenko hat Vilnius und Warschau mehrfach beschuldigt, die Proteste anzufachen. Belarus hatte seinerseits Einreisebeschränkungen gegen die EU angekündigt.

Vor neuen Massenprotesten hat Staatschef Lukaschenko den Demonstranten mit einem harten Vorgehen gedroht. "Die Menschen in Belarus haben für Frieden und Ordnung gestimmt, und wir sind verpflichtet, diesen Volkswillen zu erfüllen", sagte der 66-Jährige am Freitag der Staatsagentur Belta. "Die Kriminalität darf nicht überhandnehmen." (dpa, Reuters, red, 9.10.2020)