Der größte Unterschied zwischen Deutschen und Österreichern ist die gemeinsame Sprache!", soll Karl Kraus einst gesagt haben. Karl Farkas hat dieses Statement 1957 in einer seiner Bilanzen des Jahres mit dem unsterblichen Ernst Waldbrunn so auf die Bühne gebracht: "Aber wir Österreicher unterscheiden uns doch von den Deutschen durch so mancherlei, besonders durch die gleiche Sprache." In Wahrheit ist besagtes Zitat, in welcher Fassung auch immer, weder vom einen noch vom anderen Aphoristiker und Sprachpolizisten. Die Aussage per se basiert nämlich auf Oscar Wilde, der 1887 den Unterschied von Engländern und Amerikanern trotz gemeinsamer Sprache thematisierte. Na oisdann. Und jetzt? Aber, cui bono? Egal, wer auch immer das festgestellt hatte, so richtig und unrichtig ist es zugleich.

Arik Brauer, "Wienerisch für Fortgeschrittene". Mit zahlreichen Illustrationen des Autors. € 25,– / 144 Seiten. Amalthea-Verlag, Wien 2020
Foto: Amalthea-Verlag
Robert Sedlaczek, "Sprachwitze". 28,– / 344 Seiten. Haymon-Verlag 2020
Foto: Haymon-Verlag
Thomas Böhm & Carsten Pfeiffer, "Die Wunderkammer der deutschen Sprache". € 28,– / 304 S., Verlag Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2020
Foto: Verlag Das kulturelle Gedächtnis

However ... Die Vielfalt der deutschen Sprache hingegen ist zentraler Gegenstand dreier großartiger neuer Bücher. Thomas Böhm und Carsten Pfeiffer laden ein in ihre persönliche, sorgfältigst kuratierte Wunderkammer der deutschen Sprache, gefüllt mit Wortschönheiten, Kuriositäten, Verbalinjurien, Schöpfungen, Alltagspoesie und Episoden der Sprachgeschichte. Selbstverständlich finden exotische Austriaka und jüdische Wurzeln ebenso Beachtung wie Anglizismen, Neoeinflüsse und kollektive (Un-)Worte des Jahres. Übrigens, das von 2 x Goldstein + Schöfer gestaltete Kleinod aus dem Verlag Das kulturelle Gedächtnis wurde zu einem der schönsten Bücher des Jahres gewählt. Zu Recht! Das Auge wird verwöhnt.

Mit absichtlichen verbalen Doppeldeutigkeiten, bewussten (und unbewussten) Entgleisungen, Missverständnissen, mit Sinnveränderungen durch unterschiedliche Betonung, mit überraschenden Mischkulanzen, Meschuggasen und Wortspielen beschäftigte sich Robert Sedlacek. Der 1952 in Wien geborene Germanist und Publizist (Kolumnist der Wiener Zeitung) präsentiert nun nach diversen Nachschlagwerken über Ausgesprochenes sowie Unaussprechliches (gemeinsam mit STANDARD-Autor Christof Winder) eine Art Lexikon über Sprachwitze. Die herausgestreckte Zunge auf dem Cover lässt tief blicken und bleibt nicht unbegründet. In amüsanter und geistreicher Art und Weise präsentiert Sedlacek perfekte Pointen, Palindrome und Schüttelreime, dekuvriert billige Kalauer und wichtige Tabus, aggressive und obszöne Witze, seichte Metawitze und geistige Flachwichser, trennt Dialekt und Dialektik, entlarvt Tiefsinniges, Abgründiges und Naheliegendes. Sigi Freud, schau oba! Dass dem "jüdischen Witz" qua "angewandte Verbalakrobatik" eine besondere Bedeutung zukommt, versteht sich eigentlich ganz von selbst.

Wem all das aber noch zu allgemein ist, dem sei Arik Brauers Wienerisch für Fortgeschrittene ans Herz gelegt. Dem 1929 in Ottakring geborenen Maler, Musiker, Dichter, Chansonnier sei der Dialekt in die Wiege gelegt worden, sagt er, und seitdem redet er, "wia eam da Schnobel g’wochsn is". In seinem opulent illustrierten Supplement geht es ihm auch um die Melodie, den Klang des Wiener Dialekts. Von Potschochtern, Palawatsch und Palatschinken ist die Rede, von Tachles, Gannef, Duttln, Bissguan, Grewögal, Weana Bazi, von Grafflwerk und Gfrastern. Dass das Jiddische per se und vor allem der schwarze Humor nicht zu kurz kommen, ist nur allzu wunderbar. Halleluja!

Wie eingangs erwähnt, der größte Unterschied ist die gemeinsame Sprache, auch innerhalb Österreichs ... (Gregor Auenhammer, 11.10.2020)