Das Erwartete ist eingetreten: Die ÖVP hat stark dazugewonnen. Ein Grund für überschäumenden Jubel in den türkisen Reihen ist das nicht. Man hat Potenzial liegengelassen – durch Eigenfehler und die falsche Wahlstrategie. Das hat dem Zugewinn den Wow-Effekt genommen.

Das liegt zunächst an der Performance des ÖVP-Spitzenkandidaten Gernot Blümel. Dieser wirkte streckenweise lust- und energielos. Nach dem Lockdown im Frühjahr und der Versicherung des Finanzministers Blümel, man werde das Land "koste es, was es wolle", wiederaufbauen, war auch die Erzählung vom verschwenderischen Wien hinfällig. Auch die fortlaufende Kritik am Corona-Management der Stadt ging nicht auf. Die SPÖ beschwerte sich über das vermeintlich parteipolitisch motivierte "Wien-Bashing" – und kam damit bei der Wählerschaft durch.

Landesparteiobmann Gernot Blümel (ÖVP) und Landesgeschäftsführerin Bernadette Arnoldner beim Wahlkampfabschluss.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Noch etwas hat die ÖVP falsch eingeschätzt: Die harsche Tonalität in der Flüchtlingsfrage und die Positionierung weit rechts von der deutschen CSU kam bei vielen bürgerlichen Wählern nicht gut an. Das erklärt auch das gute Abschneiden der Neos, die sich als mittige Alternative präsentierten. Ein Fehler war auch der Umgang Blümels mit dem Facebook-Posting von Robert Menasse. Dessen Kritik zu löschen war höchst unsouverän.

Zwar gelang es, von der FPÖ enttäuschte Wähler anzuziehen – aber nicht so stark, wie man erhofft hatte. Zudem hat Bürgermeister Michael Ludwig den gestrengen Wiener Hausmeister gegeben, Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen erlassen und mittels "Wien-Bonus" eine Art Ausländerquote für den Gemeindebau eingeführt – das hat wohl auch vielen blau-affinen Wählern gefallen.

Das war, neben dem Ibiza-Debakel und dessen Folgen, auch das Problem von FPÖ-Chef Dominik Nepp – der persönlich, mit Brachialrhetorik und offensiver Corona-Sorglosigkeit einen recht effektiven Kernwählerkurs fuhr. Obwohl sich Heinz-Christian Strache nach Kräften bemühte, Nepp herunterzumachen: Dieser ging in den TV-Konfrontationen gegen Strache keineswegs unter. Strache stand mit dem Rücken zur Wand, sein Spesenskandal hat wohl auch viele seiner Fans ernüchtert.

Das bedeutet freilich nicht, dass das sogenannte rechte Lager auf Dauer gespalten bleibt. Es hat sich diesmal nur anders aufgeteilt — oder ist lieber nicht zur Wahl gegangen. (Petra Stuiber, 11.10.2020)