In der Neosphäre im siebenten Bezirk gab es am Sonntag schon bei der ersten Trendprognose Grund zum Jubeln. Angestoßen wurde mit pinkem Sekt.

Foto: Regine Hendrich

Auf den Tag genau fünf Jahre nach ihrem ersten und sofort erfolgreichen Antritt bei der Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien wurden die Neos an diesem Sonntag mit einem eindeutigen Votum bestätigt. Es gilt: gekommen, um zu bleiben. Schaffte die pinke Partei mit dem Namenszusatz "Erneuerung für Wien" in der Bundeshauptstadt am 11. Oktober 2015 aus dem Stand 6,16 Prozent und fünf Mandate, so konnte sie sich an diesem Sonntag bereits nach der ersten Trendprognose um 17 Uhr über 8,0 Prozent der Stimmen freuen, eine Stunde später bei der ersten Hochrechnung waren es schon 8,1 Prozent (plus 1,9 Prozentpunkte) oder neun (plus vier) Mandate. Die Mandate blieben auch gleich nach der SORA-Hochrechnung um 19.30 Uhr, die bei einer Schwankungsbreite von plus/minus 1,4 Prozent für die Neos 7,8 Prozent der Stimmen auswies.

Der fast unbekannte Spitzenkandidat

Christoph Wiederkehr, der als quasi "unbekannter" Spitzenkandidat in den Wahlkampf gegangen war – 2015 war die nunmehrige Neos-Bundesparteichefin Beate Meinl-Reisinger noch Frontfrau der Wiener Neos –, konnte im Wahlkampf also genug Bekanntheit erlangen, dass es für einen lockeren Wiedereinzug der Neos reichte. Über den 30-jährigen Politikwissenschafter sagte sogar Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der ihn seit Juli 2018 als Neos-Chef im Landtag bzw. Gemeinderat kennt, er sei für ihn "ein bissl die Überraschung" im Wahlkampf gewesen: "Ich war doch sehr positiv überrascht über die inhaltliche Kompetenz und das hohe Engagement in vielen Fragen."

Neos-Wähler sind Programmwähler

Wobei die typischen Neos-Wählerinnen und -Wähler ohnehin Programmwähler und nicht so sehr Personenwähler sind. Laut der ATV-Wahltagsbefragung von Peter Hajek (Public Opinion Strategies) nannten 43 Prozent der Neos-Wähler das Wahlprogramm als wichtigstes Motiv für die Stimmabgabe, gefolgt von Bildungspolitik (zehn Prozent) und Veränderung (neun Prozent), wohingegen für nur fünf Prozent der pinken Wählerschaft der Spitzenkandidat für ihre Wahlentscheidung sehr wichtig war. Selbst bei den Grünen ist der Wert fast drei Mal so hoch (14 Prozent).

Wiederkehr selbst hatte seine Wahl – nicht zuletzt, um ungeplante Corona-bedingte Verhinderungen zu vermeiden – bereits ein paar Tage vor dem Wahltag per Wahlkarte getroffen. Am Sonntagvormittag brachte er den Beisitzern in seinem Wahllokal in Hernals Obst zur Stärkung vorbei. Nach der ersten Trendprognose freute er sich über das "sensationelle Ergebnis". Der pinke Kurs "mit den Themen Schulen und Kindergärten, lebendige Betriebe und einem Ende der Freunderlwirtschaft hat offenbar bei den Wählerinnen und Wählern einen Nerv getroffen".

Pinke Sehnsucht nach Mitregentschaft

Die Bundesparteichefin freute sich am frühen Abend über das pinke Ergebnis und verbeugte sich vor dem Wiener Team: "Sensationell!", rief Meinl-Reisinger in der Neosphäre. Wiederkehr habe einen großartigen Wahlkampf gemacht. Und auch sie unterstrich dessen Linie. Der Neos-Landeschef hatte vor der Wahl gesagt: Neos müsse man wählen, wenn man in Wien eine Reformkoalition wolle. Meinl-Reisinger meinte am Wahlabend: Die Neos seien der bessere Koalitionspartner für die SPÖ.

Da gibt es allerdings eine kleine, große Hürde, die Wiederkehr bereits im Wahlkampf angesprochen hatte: Das gehe nur, wenn die SPÖ sich traue. Noch am Wahlabend sagte er, neben Wahlsieger und Bürgermeister Ludwig stehend: "Wir wären nicht der bequemste Koalitionspartner, sondern der wichtigste für die Wienerinnen und Wiener."

Rein rechnerisch würde es sich nach diesem Wahlsonntag jedenfalls ausgehen, dass SPÖ und Neos koalitionär zusammengehen. (Lisa Nimmervoll, Lara Hagen, 11.10.2020)