Michael Ludwig und die SPÖ konnten bei der Wien-Wahl zulegen.

Alle Parteien feiern Zugewinne, nur die FPÖ verliert massiv. Und Heinz-Christian Strache dürfte den Einzug in den Gemeinderat verpassen. So lauten Sonntagabend die Hochrechnungen zur Wien-Wahl – auch wenn ein endgültiges Endergebnis aufgrund der hohen Anzahl an Wahlkarten wohl erst am Dienstag vorliegen dürfte.

Bürgermeister Michael Ludwig feierte bei seinem ersten Antritt als Spitzenkandidat der Wiener SPÖ jedenfalls einen Triumph. Er dürfte laut Hochrechnung, die die Wahlkarten mitberücksichtigt, ein besseres Ergebnis als sein Vorgänger Michael Häupl bei seiner letzten Wahl 2015 erzielen. Ludwig hat mit 42,2 Prozent selbst die symbolisch wichtige 40-Prozent-Marke deutlich übertroffen. Gegenüber 2015 wäre das ein Plus von mehr als zwei Prozentpunkten.

SPÖ hält sich alles offen

Ludwig meinte zum Wahlergebnis: "Das macht mich stolz und demütig." Bezüglich Koalitionspräferenzen ließ er sich vorerst aber nicht in die Karten blicken. "Ich möchte das endgültige Ergebnis abwarten", sagte Ludwig dem STANDARD. Bei allen drei infrage kommenden Parteien – also ÖVP, Grünen und Neos – gebe es "intensive Berührungspunkte, aber auch Dinge, wo wir uns unterscheiden". Besonderer Schwerpunkt sei die Stärkung des Wirtschaftsstandorts: "Ich kämpfe um jeden Arbeitsplatz." Bei seinen politischen Konkurrenten bedankte er sich für einen "sehr fair geführten Wahlkampf".

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SPÖ-Klubchef Josef Taucher sagte: "Alles über 40 Prozent ist ein Riesenerfolg." Einer möglichen Absoluten, die zuletzt in Umfragen für die SPÖ ein Thema war, wollte Taucher nicht nachtrauern.

Die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein freute sich im Interview mit dem STANDARD über die Zugewinne ihrer Partei. "Es ist beachtlich, dass ein kleiner Koalitionspartner in Krisenzeiten Zugewinne hat." Die Grünen erreichten laut Hochrechnungen inklusive Briefwahlprognose 14 Prozent, was einem Plus von mehr als zwei Prozentpunkten im Vergleich zu 2015 entspricht. Ihr bisher bestes Ergebnis hatten die Grünen 2005 erzielt, damals schafften sie nach Auszählung aller Stimmen 14,6 Prozent.

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Für Hebein "liegt der Ball beim Bürgermeister. Für mich ist ganz klar, dass Rot-Grün fortgesetzt werden soll." Das sah auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober so.

Die Wiener ÖVP, die von einem historischen Negativergebnis von 9,2 Prozent startete, erreichte mit Spitzenkandidat und Finanzminister Gernot Blümel die meisten Zugewinne aller Parteien und stürmte auf Platz zwei. Die Türkisen dürften vor allem bei enttäuschten ehemaligen freiheitlichen Wählern gepunktet haben.

Größte Zugewinne für ÖVP

Mit 18,8 Prozent laut Hochrechnung hat die ÖVP allerdings Umfrageergebnisse, die die Türkisen bereits jenseits der 20 Prozent gesehen haben, nicht ganz bestätigen können. Blümel konnte sich aber über eine Verdopplung freuen. "Die ÖVP Wien ist wieder da", sagte er. "Wir haben fünf Jahre auf diesen Tag hingearbeitet. Heute wissen wir, es hat sich ausgezahlt."

Gibt es aus Sicht der ÖVP eine realistische Chance auf Rot-Türkis? Dazu bekomme er "gemischte Signale" aus der SPÖ, sagte Blümel. "Ich habe das Gefühl, dass Rot-Grün schon in den Startlöchern steht." Falls eine Koalition zustande käme, versicherte Blümel erneut, dass er fix in die Wiener Stadtregierung wechseln würde.

Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach von einem sensationellen Ergebnis. Er verwies darauf, dass es die achte Landtagswahl in Folge sei, bei der die ÖVP Zugewinne erreichen konnte.

Die Freiheitlichen zerbröselten bei der ersten Wien-Wahl nach der Ibiza-Affäre und stürzten in die Einstelligkeit auf 7,7 Prozent ab. Das bedeutet ein Minus von gleich 23 Prozentpunkten. Die FPÖ könnte damit sogar knapp hinter die Neos – und damit vom zweiten Rang auf Platz fünf – zurückfallen.

Pink feiert Zugewinn

Die Pinken jubelten über 7,8 Prozent – was einen Zuwachs von 1,7 Prozentpunkten bedeuten würde. In der Neos-Zentrale in Neubau knallten Rosé-Sekt-Korken, auch auf Umarmungen wurde nicht gänzlich verzichtet. Durch den Wahlerfolg werden die Neos erstmals ein möglicher Koalitionspartner: Ein rot-pinker Pakt wäre mit 56 von 100 Mandaten abgesichert.

Heinz-Christian Strache dürfte den Einzug in den Gemeinderat mit seiner Liste Team HC Strache nach den Hochrechnungen von Sonntagabend mit nur 3,6 Prozent verpassen. Wegen der Schwankungsbreite war das aber noch nicht gänzlich bestätigt. An diesen Strohhalm klammerte sich Strache, der sich die Niederlage noch nicht eingestehen wollte: "Die Hoffnung lebt." Vom selbstgesteckten Ziel der Zweistelligkeit war Straches blaue Splittergruppe meilenweit entfernt.

Stadtchef Ludwig hatte zuvor am Sonntagvormittag als einziger Spitzenkandidat der im Gemeinderat vertretenen Parteien direkt in einem Wahllokal gewählt. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Irmtraud Rossgatterer wählte er in Strebersdorf in seinem Heimatbezirk Floridsdorf. Den Wahlgang bezeichnete er als "sehr sicher", nachdem er sich auch davon überzeugt habe, "dass alle Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden".

Parteigremien tagen später

Weil die Briefwahlstimmen diesmal einen Rekordanteil ausmachen und die Auszählung wohl erst am Dienstag beendet sein wird, finden auch die Gremiensitzungen der Parteien nach der Wahl später als sonst statt. Die SPÖ trifft sich nicht wie sonst üblich direkt am Montag nach der Wahl, um die Ergebnisse zu besprechen und zu analysieren. Das werde erst im Verlauf der Woche stattfinden. Der Zeitplan zu den Sitzungen der Parteigremien steht aber noch nicht fest. Auch bei den Grünen und der ÖVP waren noch keine Termine fixiert. Die FPÖ begeht traditionell den "blauen Montag": Wann die Parteigremien tagen, war noch nicht bekannt. Nur die Neos haben Termine fixiert: Am Dienstag tagen das Landesteam und später eine erweiterte Runde des Landesteams. (Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitner, David Krutzler, 11.10.2020)