Solang der russische Präsident Wladimir Putin mit Alexander Lukaschenko Bruderküsse wie in Sowjetzeiten austauscht, wird Lukaschenko in Minsk wohl an der Macht bleiben.

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Berlin/Luxemburg/Minsk – Bei den jüngsten Massenprotesten in Belarus (Weißrussland) gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko sind nach offiziellen Angaben mehr als 700 Demonstranten festgenommen worden. Das teilte das Innenministerium am Montag mit. Nur wenige seien wieder freigelassen worden, 570 seien in Gefängnisse gebracht worden, hieß es. Unter den Festgenommenen sind der Menschenrechtsgruppe Wjasna zufolge auch zahlreiche Journalisten. Die EU-Außenminister kündigten indessen Sanktionen gegen Lukaschenko an, sollte sich die Situation in Belarus nicht bessern.

TV-Aufnahmen vom Sonntag zeigten, wie die Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Schlagstöcke einsetzten, um Kundgebungen aufzulösen, bei denen eine Neuwahl gefordert wurde. Auch Knall- und Blendgranaten wurden gezündet. Eine Sprecherin des Innenministeriums bestätigte das Vorgehen. Unabhängige belarussische Medien veröffentlichten Aufnahmen, auf denen vermummte Bereitschaftspolizisten, Soldaten sowie Männer ohne Uniform zu sehen waren, die sich aus nicht gekennzeichneten Minibussen heraus auf Demonstranten stürzten und auf sie einschlugen. Es war von zahlreichen Verletzten die Rede.

Schusswaffengebrauch angedroht

Am Montag drohte Polizei den Demonstranten mit dem Einsatz von Schusswaffen. Die Sicherheitskräfte würden den Demonstranten in den Straßen nicht weichen "und wenn nötig spezielle Ausrüstung und tödliche Waffen einsetzen", hieß es in einer am Montag auf Telegram veröffentlichten Erklärung des Innenministeriums.

Bei den Protesten am Sonntag gingen im ganzen Land zehntausende Menschen auf die Straße. Sie wurden jedoch immer wieder von der Polizei auseinandergetrieben, sodass genaue Teilnehmerzahlen schwer zu ermitteln waren.

EU bereit zu Sanktionen gegen Lukaschenko

Die EU-Länder haben sich unterdessen zu Sanktionen gegen Lukaschenko bereiterklärt, sollte sich die Lage nicht verbessern. Das hielten die EU-Außenminister, darunter Alexander Schallenberg (ÖVP), am Montag in ihren Schlussfolgerungen fest. Bisher hat die EU restriktive Maßnahmen gegen vierzig Personen verhängt, die für Betrug bei der Präsidentschaftswahl und das gewaltsame Vorgehen gegen die Proteste verantwortlich sein sollen.

Die EU-Staaten erklärten sich nun bereit, die Sanktionen auf weitere Institutionen und hochrangige Beamte – darunter Lukaschenko selbst – auszuweiten, und kündigten an, dass die EU die bilaterale Zusammenarbeit mit den belarussischen Zentralbehörden einschränken und die Unterstützung der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft erhöhen wolle. Finanzielle Zuwendungen würden dementsprechend angepasst, hieß es. Dafür hatte sich auch Schallenberg ausgesprochen. (Reuters, APA, red 12.10.2020)