Der Corona-bedingte Lockdown hat auch die Weiterbildungsbranche gezwungen, verstärkt digitale Inhalte bereitzustellen.

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In der beruflichen Weiterbildung kommen digitale Lernformate schon lange zum Einsatz. Von kurzen Videos zur Datenschutzgrundverordnung bis hin zu umfangreichen Kursen der Personalentwicklung – für nahezu jeden Bereich gibt es digitale Lernangebote. Die Weiterbildungsstudie 2019 von Makam Research hat aber gezeigt, dass noch immer 63 Prozent der beruflichen Weiterbildung auf Präsenztrainings entfallen. Für diese Studie wurden Führungskräfte und Personalverantwortliche aus 500 Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern befragt. Zwar sei laut dieser Studie ein Trend zur digitalen Weiterbildung erkennbar, Präsenzlehre sei aber nach wie vor die gängigste Methode.

Dann kam der Corona-Stillstand. Homeoffice und digitale Meetings wurden zur neuen Normalität, Schulkinder lernten aus der Distanz, die Hörsäle an den Hochschulen blieben über Monate geschlossen. Der Corona-bedingte Lockdown hat auch die Weiterbildungsbranche gezwungen, verstärkt digitale Inhalte bereitzustellen. Die Akzeptanz gegenüber E-Learning ist dadurch in allen Bevölkerungsgruppen gestiegen.

Dieser Text ist am 15. Oktober 2020 im Der Standard Karriere Magazin erschienen.

Digitalisierungsschub

An der Uni for Life, der Weiterbildungsinstitution der Uni Graz, hat man während des Lockdowns kurzfristig drei kostenlose Weiterbildungsprogramme initiiert, das Interesse daran habe alle Erwartungen übertroffen, sagt Stephan Witzel, Geschäftsführer der Uni for Life. Er erwartet sich für den gesamten Bildungsmarkt einen nachhaltigen Digitalisierungsschub. Zurückhaltender sind die Erwartungen beim BFI Wien. Schon vor dem Lockdown gab es E-Learning-Angebote, das Interesse daran war aber eher gering, sagt Jan Weinrich, Sprecher des BFI Wien. Durch Corona sei zwar die Akzeptanz von E-Learning generell gestiegen, inwieweit dieser Effekt nachhaltig sein werde, lasse sich derzeit aber noch nicht abschätzen, sagt Weinrich.

Dass sich Mitarbeiter rasch an die neue Normalität gewöhnt haben, zeigen die Kursbuchungen beim Wifi Österreich. Schon vor Corona gab es auf der Wifi-Lernplattform die digitale Infrastruktur für E-Learning. 5000 Veranstaltungen wurden 2019 auf diesem Weg in Anspruch genommen. Während des Shutdowns sind das Interesse an und die Nachfrage nach E-Learning-Kursen aber deutlich gestiegen. Allein im März wurden knapp 2900 Kurse von rund 37.500 Teilnehmern virtuell besucht. Momentan arbeite man intensiv am Ausbau des Online-Contents in allen Geschäftsfeldern, sagt die Wifi-Institutsleiterin Tatjana Baborek. Durch die Corona-Pandemie wurde der Ausbau von E-Learning und Onlineweiterbildungen um ein Vielfaches beschleunigt.

Vor- und Nachteile
+ Unabhängig

E-Learning ist zeit- und ortsunabhängig. Einzige Voraussetzung sind eine Internetverbindung und Devices. Der Lernende kann das Tempo selbst bestimmen und so oft wiederholen, bis es sitzt.

- Nicht billiger
E-Learning-Angebote sind nicht billiger als normale Trainings. Denn gut gemachte Onlinekurse brauchen eine genauso intensive Vorbereitung und gute Umsetzung wie Präsenzveranstaltungen. Einsparungen gibt es aber bei Anreise, Übernachtungs- oder Verpflegungskosten.
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Gute Mischung

Im aktuellen Wifi-Weiterbildungsbarometer zeigt sich auch die gestiegene Akzeptanz der digitalen Weiterbildung. Imas hat dabei gleich drei Erhebungen durchgeführt: das traditionelle Weiterbildungsbarometer im Jänner und Februar, also noch vor der Corona-Krise, mit 1042 Face-to-Face-Befragten. Darüber hinaus erhob man ebenfalls Face to Face im Juni bzw. Juli die Meinung von 566 Erwerbstätigen sowie telefonisch jene von 300 Unternehmern mit mehr als zehn Mitarbeitern. Der Umfrage zufolge gaben 59 Prozent der befragten Erwerbstätigen an, dass sie digitale Inhalte und digitale Weiterbildung nutzen würden. Bei Höhergebildeten ist die Nutzung größer. Klare Vorteile durch das Onlinelernen sehen die Befragten darin, dass die Anreise wegfällt. Die Studie machte aber auch deutlich, dass ausschließlich E-Learning auf Dauer wenig attraktiv sei. Im Durchschnitt wüschen sich Erwerbstätige eine Mischung von Präsenz- und Onlinelernen im Verhältnis 60 zu 40. Zwar sei die Bereitschaft zur Weiterbildung groß, allerdings wird das Vorhaben in der persönlichen Praxis nicht immer konsequent umgesetzt. Dafür brauche es laut Wifi mehr Anreize. Vor allem Menschen ohne formale Bildungsabschlüsse müssten stärker angesprochen werden. Gänzlich ohne Onlineinhalte werde das Lernen in Zukunft aber nicht auskommen, ergänzt Baborek.

Ähnlich sieht das auch der Imas-Studienautor Paul Eiselsberger. Bei der Weiterbildung sieht er "keinen eindeutigen Run auf reine digitale Angebote – es wünscht sich aber auch nicht jeder eine Rückführung in den Bereich, wie er bisher stattgefunden hat". Präsenzveranstaltungen würden immer nötig sein, dazu kämen aber eben Onlineangebote.

Vor- und Nachteile
+ Individuell

E-Learning-Angebote lassen sich für jede Person maßschneidern, die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Lernenden können stärker berücksichtigt werden. Fehlendes Vorwissen kann nachgeholt werden, ohne Bloßstellung von Wissenslücken vor den Arbeitskollegen.

- Kommunikation
Der Kontakt zu den anderen Teilnehmern und zum Trainer ist beim E-Learning eingeschränkter. Ein Austausch mit Kollegen während der Lernpausen ist gar nicht möglich. Bei Umfragen nennen Teilnehmer diesen Fakt als größten Nachteil von E-Learning.
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Passendes Setting

Bleibt noch die Frage, wie man das richtige Weiterbildungsangebot findet. Sowohl inhaltlich als auch didaktisch ist die Auswahl riesig. Für die betriebliche Weiterbildung rät Michaela Meier, Geschäftsführerin von Trenkwalder Learning, sich genau anzuschauen, welche Mitarbeitergruppe lernen soll, und ganz genau zu definieren, was gelernt werden soll. Unabhängig davon, was gelernt werden soll, sei es dann wichtig, die richtigen Medien zusammenzustellen. "Nur weil ich jetzt etwas als PDF verschicke, passiert noch gar nichts. Jedes Thema muss in kleine Einheiten verpackt werden, und man startet mit der Kernaussage. Zum Beispiel mit einem kurzen Video, in dem das Wichtigste erklärt wird und aufgezeigt wird, was getan werden muss, damit etwas erreicht werden kann. Dann wird das auf unterschiedliche Weise visualisiert, damit unser Gehirn die unterschiedlichen Anker hat und sich dann schnell daran erinnern kann", sagt Meier.

Vor- und Nachteile
+ Multimedial

Video, Spiele, Virtual Reality oder künstliche Intelligenz – die Möglichkeiten des E-Learnings sind vielfältig und können an das jeweilige Lernverhalten angepasst werden.

- Ablenkung
Das Lernen bleibt auch beim E-Learning niemandem erspart. Es braucht Selbstdisziplin, um mitzumachen. Störungen und Ablenkungen sind häufiger, als wenn man abgeschirmt in einem Seminarraum einen Kurs besucht.
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Durch die technischen Möglichkeiten können Weiterbildungsangebote noch stärker individualisiert werden und der Inhalt für jeden maßgeschneidert werden. Künstliche Intelligenz kommt auch hier immer öfter zum Einsatz, beispielsweise als sprachgesteuerter Bot, der den Lernenden während seines Weiterbildungskurses unterstützen soll. Egal, welche Methode gewählt wird, ohne ein Mindestmaß an digitalem Grundverständnis wird digitale Weiterbildung nicht funktionieren.

Die Studie "Decoding Global Trends in Upskilling and Reskilling" der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG), der Onlinejobplattform Stepstone, und des Jobbörsennetzwerks The Network mit 366.000 Befragten in 197 Ländern, davon 3800 in Österreich, zeigt, dass die Österreicher in ihren Lernmethoden eher konservativ sind: Nur 15 Prozent der Berufstätigen nutzen Onlineinstitute, der Anteil ist halb so hoch wie weltweit üblich. Auf Apps wird mit 17 Prozent unterdurchschnittlich häufig zugegriffen. Selbstständige und Menschen in IT-Berufen oder mit wissenschaftlichen Jobs sind besonders offen für digitale Weiterbildung, so der Bericht. (Gudrun Ostermann, 28.12.2020)