Lange war es das Privileg einiger weniger, mit Corona wurde es zum Alltag vieler: das Homeoffice. Arbeiteten vor der Pandemie laut einer Eurostat-Umfrage rund zehn Prozent der österreichischen Beschäftigten und Selbstständigen von zu Hause, waren es laut Arbeitsministerium im Lockdown quasi über Nacht rund 40 Prozent.

Dieser Text ist am 15. Oktober 2020 im DER STANDARD Karriere-Magazin erschienen.

Der vielfach ersehnte, aber auch kritisch beäugte und nur langsam umgesetzte digitale Wandel war vorerst in den Unternehmen angekommen. Technik zu beschaffen ist vergleichsweise einfach, die Mitarbeitenden mit Aufgaben und Motivation bei Stange zu halten die größere Herausforderung. Auch deswegen galt das Homeoffice als Horrorszenario für Führungskräfte. Ihre Sorgen: keine Kontrolle, keine Produktivität.

Doch das Gegenteil war bei den meisten der Fall: Laut einer Umfrage der Jobbörse Stepstone gaben 41 Prozent der befragten Erwerbstätigen in Österreich an, dass sie zu Hause mehr Arbeit bewältigen können. Das legen auch Untersuchungen nahe, die vor der Pandemie durchgeführt wurden: So kamen Forscher der Uni Stanford 2015 in einer vielzitierten Studie zum Ergebnis, dass die Produktivität im Homeoffice um 13 Prozent steigt. Vor allem deshalb, weil die untersuchten Callcenter-Mitarbeiter zu Hause länger arbeiteten und weniger Pausen machten, aber auch mehr Ruhe hatten, Anrufe abzuwickeln, als im Großraumbüro. Die Mitarbeitenden sagten, dass sich auch ihre Arbeitszufriedenheit im Homeoffice verbesserte. Ebenso sank die Fluktuation.

Hierzulande wollen laut der Stepstone-Befragung immerhin fast zwei Drittel künftig verstärkt telearbeiten. Viele freuen sich, endlich den Arbeitstag nach ihren Bedürfnissen gestalten zu können. Doch nicht alle machten positive Erfahrungen: Gerade für Arbeitende mit Kindern wurde das Homeoffice zur Belastung, zeigen aktuelle Untersuchungen. Viele, die allein wohnen, klagen über Vereinsamung. Andere taten sich schwer, mit dem Verschwimmen der Grenzen zwischen Schreibtisch und Sofa – und machten Überstunden. Das zeigt auch die Stepstone-Umfrage: Vier von zehn machten Überstunden, ein weiteres Drittel machte seltener Pausen als im Office, 39 Prozent arbeiteten nach Feierabend. Die anfängliche Homeoffice-Euphorie wich bei einigen einer Müdigkeit.

Langfristig kann es für Unternehmen attraktiv sein, ihre Angestellten vermehrt zu Hause arbeiten zu lassen – sie sparen sich damit teure Büroflächen.
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Keine Einheitslösung

Mit dem Herbst schicken immer mehr Firmen ihre Angestellten wieder ins Homeoffice oder führen wieder wöchentlich wechselnde A/B-Teams ein, die einander im Büro nicht begegnen sollen. Zu hoch das Infektionsrisiko. Die großen Tech-Konzerne im Silicon Valley – bekannt für ihre durchgestylten Großraumbüros, in denen sich Mitarbeitende wie zu Hause fühlen sollen und sich Arbeit wie Freizeit anfühlen soll – ließen bereits im Frühjahr aufhören: Twitter, Facebook, Google oder Zoom planen, erst 2021 oder gar nicht mehr ins Office zurückzukehren.

Da stellt sich die Frage: Ist die Blütezeit des Büros vorbei? Langfristig kann es für Unternehmen attraktiv sein, ihre Angestellten vermehrt zu Hause arbeiten zu lassen – sie sparen sich damit teure Büroflächen. So gaben 69 Prozent der befragten Firmenchefs in einer KPMG-Umfrage an, ihre Büros kurzfristig verkleinern zu wollen. Immobilienexperten schätzen, dass zehn Prozent mehr Heimarbeit zu fünf Prozent weniger Büroflächen führen.

Aber nicht alle sehen die Erlösung im Homeoffice: Der Social-Media-Konzern Pinterest etwa hat weitere Büroflächen gemietet, um eine "verteilte Belegschaft" zu schaffen. Auch Facebook hat in Manhattan den Mietvertrag für ein neues Büro unterzeichnet, berichtet der Economist. Und etwa IBM und Yahoo, die bereits vor Corona Heimarbeit in großem Stil umgesetzt hatten, haben das vor Jahren wieder rückgängig gemacht. Einer der Gründe bei Yahoo: Die besten Ideen kämen nicht allein am Schreibtisch, sondern etwa bei Gesprächen in der Cafeteria oder bei spontanen Teammeetings.

Das sagen auch Expertinnen und Experten, wie etwa Nicholas Bloom, Ökonom an der Uni Stanford und Autor der Callcenter-Studie. Innovation und Kreativität litten unter dem verteilten Arbeiten. Auch die Mitarbeiterbindung und Motivation der Arbeitenden sinkt, wenn jeder daheim im stillen Kämmerchen sitzt – das große Ganze, der Sinn der Arbeit kann verloren gehen. Denn Arbeiten ist mehr als nur seine Aufgaben zu erledigen: Es ist auch ein Ort des Austauschs, sozialer Beziehungen oder wo Mentoring stattfinden kann.

Hybride Arbeitsformen

Dass künftig nur mehr im Homeoffice gearbeitet wird, dürfte auch deshalb nicht für die Mehrheit der Beschäftigten gelten. Viele Firmen tüfteln derzeit an Konzepten, wie sie in Zukunft bestmöglich hybrid arbeiten können. So teilte Siemens mit, dass es das Ziel sei, "dass alle Beschäftigten weltweit im Schnitt zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten können – und zwar immer dann, wenn es sinnvoll und machbar ist". Jeder der 300.000 Mitarbeitenden darf den Arbeitsort wählen, wo er oder sie am produktivsten ist. Das könnten auch gemeinsame Büros außerhalb der Siemens-Standorte sein, etwa wenn der Weg dorthin kürzer ist. Coworking-Spaces oder das Café ums Eck dürften davon auch profitieren.

Der Ökonom Bloom plädiert in seinem aktuellen Essay für ein Modell: Montag, Mittwoch, Freitag im Büro, Dienstag und Donnerstag zu Hause – drei Tage für Meetings, Kreativität und Innovation, zwei Tage für konzentriertes Arbeiten, wo man nicht von tratschenden Kollegen gestört wird, das Telefon ständig klingelt oder der halbe Tag mit Konferenzen vollgestopft ist. So könne man auch die Sorge der Manager umgehen, dass die Beschäftigten montags und freitags ihr Wochenende verlängerten.

Wichtig sei laut Bloom auch, dass Remote Work zur Wahl gestellt werde. In seinem Experiment wollte die halbe Belegschaft nur zu Hause arbeiten. Die jungen Beschäftigten waren aber weniger überzeugt: Sie sahen die Arbeit als wichtigen Bestandteil ihres Soziallebens. Das legt auch eine Befragung der Uni Konstanz nahe: "Das Wunschmodell ist bei vielen Befragten eine ausbalancierte Mischung aus Homeoffice und Präsenztätigkeit", heißt es darin. Während ein Viertel vollständig von zu Hause aus arbeiten will, gaben rund 42 Prozent an, zwei bis drei Tage pro Woche im Homeoffice zu bevorzugen. (Selina Thaler, 10.12.2020)