Die Corona-Krise wirkt sich auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens aus. Auch Karriereverläufe sind maßgeblich von der aktuellen Ausnahmesituation betroffen. In einer repräsentativen Umfrage von Deloitte und Sora wurden österreichische Führungskräfte speziell nach dem Einfluss von Covid-19 auf die Karrierechancen von Frauen gefragt. Das interessante Ergebnis: 69 Prozent der Befragten gaben an, dass sich die Situation nicht verändern wird, 22 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus, und nur neun Prozent glauben an eine Verbesserung.

Tatsächlich befindet sich Österreich auf einem sehr niedrigen Niveau, was die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen anbelangt: Im Global Gender Gap Index 2020 des World Economic Forum belegt der Standort in dieser Kategorie lediglich Platz 86 von 153. Auch in anderen internationalen Vergleichen schneiden wir regelmäßig eher bescheiden ab – weit abgeschlagen hinter Ländern wie Finnland, Norwegen, Island, Schweden und Frankreich.

Die Gründe dafür sind altbekannt: Der deutliche Gender-Pay-Gap quer durch alle Branchen, die starke Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen und der hohe Teilzeitanteil berufstätiger Frauen – all das hat sich in den letzten 20 Jahren praktisch nicht verändert. Wenn Covid-19 also nichts an den Chancen der Frauen ändert, werden wir weiter auf diesem niedrigen Niveau stagnieren.

Ökonomische Vorteile

Dabei sind die ökonomischen Vorteile einer höheren wirtschaftlichen Beteiligung von Frauen für Volkswirtschaft und Unternehmen vielfach untersucht, dokumentiert und bestätigt. Insbesondere auf Unternehmensebene haben wir in den letzten Jahren beobachtet, dass gerade in den Führungsteams mehr Gender-Diversität angestrebt wird. Die Unternehmen sind dafür auch zunehmend bereit, an Organisation, Kultur und Prozessen zu arbeiten. Wir sehen aber eben auch: In Österreich gibt es eine Reihe an festgefahrenen Strukturen und blinden Flecken.

Die Frage, ob Frauenkarrieren möglich sind, kann jedenfalls nicht von der allgemeinen Situation der Frauen in Österreich getrennt werden. Die Chancengleichheit am Arbeitsmarkt hängt immer auch stark mit den bestehenden Rahmenbedingungen zusammen: So würde etwa eine umfassende, kostenlose Kinderbetreuung nicht nur soziale Aufstiegschancen bieten, sondern vor allem auch den Frauen ermöglichen, Vollzeit berufstätig zu sein, Führungspositionen zu übernehmen und nicht spätestens in der Pension in der Armutsfalle zu landen. Hier gibt es jedoch nach wie vor viel zu wenig Angebot.

Gundi Wentner, Partnerin bei Deloitte Human Capital, sagt, dass viele Frauen im Verlauf der Corona-Krise Abstriche zulasten ihrer Karriere machen müssen. Unterschiedliche Förderprogramme seien nun gefragt.
Foto: Andy Urban

Die vorherrschende traditionelle Arbeitsteilung prägt nicht nur das Privatleben der Österreicherinnen und Österreicher, sondern wirkt sich maßgeblich auf die Kultur in den Institutionen und Unternehmen sowie auf die Haltungen und Prioritäten in Politik und Gesellschaft aus.

Fakt ist: Mütter mit Kindern leisten hierzulande substanziell mehr unbezahlte Arbeit pro Tag als Väter. Dieses Ungleichgewicht hat sich durch Covid-19-bedingtes Homeschooling und Homeoffice nicht nur verfestigt, sondern noch erhöht. Eine aktuelle Studie von Katharina Mader von der Wirtschaftsuniversität Wien bestätigt das, internationale Studien zeigen ähnliche Trends – und ein Ende ist nicht in Sicht.

Alte Netzwerke halten

Die Vergangenheit hat außerdem gezeigt, dass in engen Arbeitsmärkten Frauen stärker von Arbeits- und Perspektivlosigkeit betroffen sind, weil sich ebendiese traditionellen Rollenbilder verfestigen. Vor allem um die gut bezahlten Führungspositionen findet ein beinharter Verdrängungswettbewerb statt, den bisher immer die Männer gewonnen haben. Hinzu kommt: Wer von zu Hause aus arbeitet, kann nur schwer neue Beziehungen knüpfen. Während alte Netzwerke weitgehend bestehen bleiben, ist der Aufbau neuer Kontakte in der virtuellen Welt nahezu unmöglich. Nachdem Männer traditionell über mehr starke Netzwerke verfügen, bekommen Frauen im Homeoffice folglich noch weniger von jener Sichtbarkeit und Unterstützung, die für den Aufstieg in Führungspositionen essenziell wäre.

Erschöpft von Homeoffice, unbezahlter Arbeit und Angst um Jobverlust, werden also viele Frauen im Verlauf der Corona-Krise Abstriche zulasten ihrer Karriere machen müssen. Selbst wenn Unternehmen und Organisationen im privaten und öffentlichen Sektor gern mehr Frauen in Führungspositionen sehen würden – sie werden sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen immer schwerer finden und motivieren können.

Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, braucht es in Österreich ein radikales Umdenken sowie ein umfassendes Investitionsprogramm. Dabei sollte der Ausbau der Kinderbetreuung – gratis, ganztags und in hoher Qualität für alle Altersstufen – genau wie der Ausbau der Ganztagsschulen eine selbstverständliche Basis sein. Verbunden mit einer Aufwertung und attraktiveren Bezahlung von Betreuungsberufen könnten so aus bisher unbezahlter Arbeit neue Arbeitsplätze, Einkommen, Steueraufkommen und Karrierechancen entstehen.

Auch Bildungsinstitutionen gefragt

Des Weiteren müssen in den Bildungsinstitutionen Mädchen bereits im frühen Alter gezielt motiviert und gefördert werden, Berufe zu ergreifen, die wir in der Zukunft dringend brauchen werden – Stichwort Digitalisierung und Technologie. Dafür braucht es nicht nur die Genderkompetenz aller Pädagoginnen und Pädagogen, sondern auch eine umfassende Überarbeitung der Lehrpläne, Schulungen und vor allem ganz konkrete Zielvorgaben.

Unternehmen müssen jetzt darauf achten, dass ihre bisherigen Bemühungen um einen höheren Frauenanteil in Führungsetagen durch die Krise nicht zunichtegemacht werden. Dafür stehen unter anderem Mittel des Europäischen Sozialfonds zur Förderung von Gehaltsgerechtigkeit und Karrierechancen zur Verfügung. Kriterien wie der Einkommenstransparenzbericht und die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen sollten außerdem substanzielles Gewicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bekommen.

Zu guter Letzt spielen neben Staat, Bildungssystem und Wirtschaft auch die Frauen in Spitzenpositionen eine wichtige Rolle: Sie haben die Verpflichtung, genau hinzuschauen und struktureller, gesellschaftspolitischer sowie wirtschaftlicher Ungleichbehandlung aktiv entgegenzuwirken – in Solidarität mit den vielen österreichischen Frauen, die in der aktuellen Krisensituation mehr als einen müden Applaus verdient haben. (Gundi Wentner, 14.10.2020)