In Washington beginnt am Montag die Anhörung von Amy Coney Barrett.

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Amy Coney Barrett lacht nicht viel. Wenn sie spricht, dann mit minimaler Mimik, als würde sie ein Pokerface bewahren wollen. "Eine Richterin", sagte sie vor vier Jahren, kurz bevor Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, "sollte niemand sein, der einfach auf Basis von Parteipräferenzen entscheidet." Sie war damals an der Jacksonville University zu einem Vortrag geladen. Diskutiert wurden die demnächst freiwerdenden Richterplätze am Supreme Court, dem Obersten Gericht der USA.

Die Anhörung im Livestream.
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Unter dem nächsten Präsidenten würden gar vier der neun Richterstühle frei werden, referierte Barrett über die seltene Chance des kommenden Präsidenten oder der kommenden Präsidentin. Wenn Hillary Clinton die Posten besetzen würde, dann wohl mit eher liberalen Richtern, meinte sie. Wenn Donald Trump sie besetzen würde – wer weiß schon, was dann passiere? Ein Lachen ging damals durch die Menge, der einzige Moment in der Ansprache, in dem sie ebenfalls lachte.

Vier Jahre später soll sie nun selbst einen der Richtersessel bekommen – und steht damit im Kreuzfeuer der Kritik. Es ist eine der umstrittensten Postenbesetzungen Trumps bisher. Der Präsident hat sie als Nachfolgerin der liberalen Feministin Ruth Bader Ginsburg nominiert, die vor knapp einem Monat im Alter von 87 Jahren gestorben ist. Am Montag beginnen die Anhörungen im US-Senat. Da dieses Gremium mehrheitlich republikanisch besetzt ist, ist nicht davon auszugehen, dass die Nominierung abgelehnt wird.

Abtreibungsgegnerin folgt auf Feministin

Es ist das Timing der Ernennung so knapp vor der Präsidentenwahl. Es ist aber auch die Bedeutung genau jenes Sessels von Ginsburg: Die Höchstrichterin stand immer für eine liberale Auslegung der US-Verfassung, eine moderne Weltsicht, und hat sich zeit ihres Lebens für die Rechte von Frauen eingesetzt.

Barrett hingegen gilt als ultrakonservativ. Die erzkatholische Abtreibungsgegnerin würde – so die Befürchtung ihrer Kritiker – dem Höchstgericht für Jahrzehnte einen Rechtsdrall bringen, mit sechs konservativen zu drei liberalen Richtern. Das Gericht entscheidet über so wichtige Grundsatzfragen wie Todesstrafe, Abtreibung und Einwanderung. Immerhin sind Höchstrichter auf Lebenszeit bestellt. Barrett ist 48.

Barrett pocht auf ihre Unabhängigkeit als Richterin. Vor vier Jahren fragte sie der Moderator, nach welchen Kriterien ein US-Höchstrichter gewählt werden solle. Clinton habe auf dieselbe Frage geantwortet, sie wünsche sich jemanden, "der die Minderheitenrechte schützt", Trump mit "jemand, der Abtreibung ablehnt". Wie Barrett dazu stehe? Eine politische Einstellung sei nicht die richtige Qualifikation für einen Richter, sagte sie: "Wir möchten jemanden im Gericht haben, der die Verfassung umsetzt."

Siebenfache Mutter aus dem Süden

Die Mutter von sieben Kindern wuchs im Süden der USA auf, in New Orleans. Jus studierte sie in Tennessee und an der katholischen Universität Notre Dame in South Bend, Indiana. Ende der 1990er-Jahre arbeitete sie für den erzkonservativen Höchstrichter Antonin Scalia, um später als Jus-Professorin an ihrer Alma Mater Notre Dame 18 Jahre lang als Professorin zu lehren. 2017 holte sie Trump an das Bundesberufungsgericht in Chicago, wo sie sich aus Sicht des Präsidenten profiliert hat.

Zu ihren Qualifikationen in der Materie reihen sich aber Zweifel aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen. Stein des Anstoßes sind unter anderem Aussagen, dass eine Justizkarriere immer nur "Mittel zum Zweck" sei, nämlich um das Reich Gottes aufzubauen.

Mitglied der People of Praise

Sie hat einige tausend Dollar an Zuwendungen der erzkonservativen Alliance Defending Freedom (ADF) erhalten. Außerdem hat sie Verbindungen zu der christlichen Gruppierung People of Praise mit Hauptsitz in South Bend, eines patriarchal-autoritär strukturierten religiösen Netzwerks mit etwas weniger als 2.000 Mitgliedern.

Laut AP gehörte Barrett zum Aufsichtsgremium eines privaten Schulnetzwerks der Gruppe. Geleitet wird die Gruppe aber nur von Männern, der Ehemann sei als Oberhaupt der Familie definiert. Die Gruppierung ist aus der Pfingstbewegung entstanden, sie tritt gegen Abtreibungen und für ein konservatives Rollenbild ein, die Frau ist dem Mann in bestimmten Bereichen untergeordnet.

Werbung gegen Abtreibung unterschrieben

Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen Barretts wollen die Demokraten bei den Anhörungen, die zumindest bis Donnerstag dauern, Zweifel vorbringen, dass Barrett sich von ihren Überzeugung lösen könne. So stand ihr Name 2006 unter einer Zeitungswerbung gegen Abtreibungen: "Es ist Zeit, endlich dem barbarischen Erbe von 'Roe vs. Wade' ein Ende zu bereiten und wieder ein Gesetz herzustellen, das das Leben ungeborener Kinder schützt", hieß es damals in der Anzeige. "Roe v. Wade" war das bahnbrechende Höchstgerichtsurteil von 1973, das Abtreibungen in den USA legal machte.

Dass dieses Urteil aufgehoben werden könnte, wenn sich eine Möglichkeit ergibt, befürchten nun Gegner der konservativen Politik. Barrett versicherte in ihrer im Voraus bekannt gewordenen Stellungnahme, sie werde stets strikt dem Gesetz folgen. Politische Entscheidungen würden von den Gewalten getroffen, die das Volk gewählt hat. "Die Öffentlichkeit sollte dies nicht von den Gerichten erwarten, und die Gerichte sollten es nicht versuchen."

Am ersten Tag der Anhörungen wird Barrett vorgestellt, und es wird einleitende Stellungnahmen geben. Am Dienstag gehen die eigentlichen Befragungen los. (red, saw, 12.10.2020)