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Wien – Mit dem Herbst beginnen sich die Nebel über Klimastrafen in Milliardenhöhe zu lichten. Diese stehen Autobauern ins Haus, wenn sie die EU-Vorgaben für den CO2-Ausstoß nicht erfüllen. Besonders einfahren dürften diese bei Daimler und Volkswagen – sie verfehlen ihre Flottenziele trotz eines Corona-bedingt rückläufigen Fahrzeugabsatzes allerdings bei weitem nicht so stark wie befürchtet.

Zu diesem Schluss kommt der Klimaverband Transport & Environment (T&E) in seiner jüngsten Erhebung. Dafür wurde der Neuwagenabsatz im ersten Halbjahr evaluiert, wobei insbesondere der Elektroautoverkauf maßgeblich ist, weil Battery Electric Vehicles beim Schadstoffausstoß doppelt zählen beziehungsweise klimaschädliche Verbrennungsmotoren wettmachen. Ein Elektroauto wiegt zwei Verbrenner auf – das dürfte auch die massiven Preisnachlässe erklären, mit denen nicht nur Tesla operiert.

BMW dürfte es schaffen

Mit Ausnahme von BMW würden deutsche Hersteller von Daimler (Mercedes) und Volkswagen (VW, Audi, Seat, Škoda, Porsche) abwärts ihre Emissionslatte reißen, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Montag. Maßgeblich sind dabei die Flottenziele, also der Durchschnitt aller in dem Kalenderjahr verkauften Fahrzeuge.

Mehr als 95 Gramm CO2 dürfen 2020 neu zugelassene Fahrzeuge nicht ausstoßen, wobei in der Übergangsfrist bis 2022 das Leergewicht der Fahrzeuge berücksichtigt wird und nur 95 Prozent der in Umlauf gebrachten Pkws relevant sind. Es kommt also auf den Fahrzeugmix an: Schwere spritschluckende Geländewagen (SUVs) verschlechtern die CO2-Bilanz und treiben das Flottenziel in die Höhe. Deshalb werden die größten Emittenten während der Übergangsfrist in den Puffer geschoben. Zu einem niedrigeren Flottenziel trägt auch das Pooling bei. Fiat bildet mit Tesla eine Flotte, Mazda mit Toyota.

PSA bleibt unter Grenzwerten, Fiat-Chrysler auch

Laut der Hochrechnung von T&E auf Basis der Halbjahreszahlen dürfte die PSA-Gruppe (DS, Peugeot, Citroën, Opel) die CO2-Ziele sogar um drei Gramm übererfüllen. Auch der PSA-Fusionspartner Fiat Chrysler kratzt – dank Poolings mit E-Auto-Pionier Tesla – die Kurve, detto der schwedisch-chinesische Volvo-Konzern – und BMW als einziger deutscher Autokonzern.

Die seit Sommer 2017 zu PSA gehörende Opel zahlt dafür einen hohen Preis. Die Marke mit dem Blitz wurde von der Corona-Krise härter getroffen als der Markt und kämpft mit einem schrumpfenden Marktanteil. Der Absatz brach um mehr als die Hälfte ein, auch weil CO2-ungünstige Modelle aus dem Programm gestrichen wurden. Mit PSA-Technik kommen aber zunehmend Elektro-Opel auf den Markt.

Volkswagen und Daimler hintennach

Volkswagen und Daimler hingegen haben laut den T&E-Berechnungen trotz Einbußen beim Absatz erheblichen Nachholbedarf. Von den im Jänner befürchteten Milliardenstrafzahlungen sind die beiden deutschen Flaggschiffe aber weit entfernt. Auf 3,98 Milliarden Euro hatte das Car-Center die drohenden Pönalezahlungen vor zwei Jahren allein für Volkswagen taxiert. Das Beratungsunternehmen PA Consulting war im Jänner bei vier Millionen verkauften Pkws auf bis zu 4,5 Milliarden Euro im Jahr 2021 gekommen. Nun dürfte es mehr als eine Milliarde Euro werden, schätzt T&E.

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Daimler käme laut T&E-Berechnungen dank starker Verkaufszahlen von Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen auf eine halbe Milliarde Euro Strafe. Beide Konzerne profitieren dabei von der 95-Prozent-Regel, dank der spritschluckende SUV herausgerechnet werden können. 2021 gilt dieser Bonus nicht mehr, da muss Daimler die Lücke von sechs Gramm CO2 pro Kilometer aufholen. Bei VW beträgt der Rückstand vier Gramm.

Kaufprämie kurbelt E-Auto-Absatz an

Der Rückgang im CO2-Ausstoß insgesamt ist laut T&E-Berechnungen beträchtlich. Er pendelte sich nach Jahren des Anstiegs auf 111,2 Gramm ein. Das führen die Studienautoren auf Corona-Konjunktur- und E-Auto-Prämien zurück. Ihr Anteil am Verkauf werde in der EU heuer von drei auf bis zu zehn Prozent steigen, 2021 könnten sogar 14 Prozent drin sein. 2019 waren es noch 122,4 Gramm.

Kritik an Emissionsgrenzen

Allerdings sind die Emissionsgrenzen für Autos nicht nur bei den Herstellern umstritten. Kritik kommt von Wissenschaftern, etwa Bernhard Geringer von der TU Wien. Dem Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe & Antriebstechnik fehlt eine gesamthafte Betrachtung, weil die Herkunft der Energie keinen Eingang in die Regulierung der EU findet. Das könne dazu führen, dass ein Elektroauto in Polen unter dem Strich deutlich mehr CO2 in die Luft bläst als ein Verbrenner in Österreich.

Selbst in Deutschland kämen E-Autos derzeit auf keine bessere Klimabilanz als Diesel und Benziner. Zudem befürchtet Geringer Standortnachteile für Europa, weil gewisse Entwicklungen nicht mehr in Europa durchgeführt werden. So hat beispielsweise BMW angekündigt, die Entwicklung des Zwölfzylindermotors in Europa zu beenden. (Luise Ungerboeck, Andreas Schnauder, 12.10.2020)