Ilona M. Otto vom Wegener-Center an der Uni Graz modelliert gesellschaftliche Veränderungen in der Klimakrise.

Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos

Es ist für die Klimawissenschaft kein Leichtes, optimistisch in die Zukunft zu blicken – Studien zur Klimakrise zeichnen stets alarmierende Szenarien. Gerade deshalb will Ilona M. Otto jene Entwicklungen ins Rampenlicht rücken, die ihr Hoffnung machen.

Sie ist die neue Leiterin der Forschungsgruppe Soziale Komplexität und Systemtransformation am Wegener-Center für Klima und Globalen Wandel der Uni Graz und forscht zur Frage, welche Anstöße die Gesellschaft brauchte, um auf einen nachhaltigen Lebensstil umzusatteln. Antworten sucht sie mithilfe von "agentenbasierter Modellierung", einer Art Computerprogramm, das soziale Prozesse simuliert.

Das Ergebnis: Wenn sich rund zehn Prozent einer Gesellschaft aktiv für eine Veränderung einsetzten, könnte diese Minderheit ein Umdenken der Mehrheit erreichen – wobei die genaue Prozentzahl von der Gesellschaftsstruktur und der Geschwindigkeit im Informationsaustausch abhängt und zwischen 3,5 und 25 Prozent schwanken kann.

"Wenn alle Schüler, die jetzt mit Fridays for Future auf die Straße gehen, wählen dürfen, stehen unsere Chancen gut, dass sie Veränderungen anstoßen", sagt Otto. Allerdings gilt die Faustregel der zehn Prozent genauso für andere Gruppen, etwa jene der Klimawandelleugner. Daher sei es so wichtig, dass sich viel mehr Menschen aktiv engagieren. "Wir brauchen ein paar mehr Greta Thunbergs", so die Forscherin.

Positive Botschaften

Dass sie ihre Studienergebnisse am liebsten in positive Botschaften verpackt, begründet sie mit einer anderen Erkenntnis: Wenn Menschen Angst haben, ziehen sie sich zurück, erklärt Otto. Gefühle, die eher zu Veränderungen führen, seien Enthusiasmus sowie Wut. "Ich versuche vor allem, Enthusiasmus zu wecken", sagt Otto. Menschen hätten ein Verlangen danach, etwas Bedeutungsvolles mit ihrem Leben anzufangen. "Und was gibt es Bedeutungsvolleres, als an einer Lösung für das größte Problem unserer Zeit zu arbeiten?"

Wenn sie über den Klimawandel spricht, denkt die gebürtige Polin als Erstes an den Bauernhof ihrer Familie im Dorf Dylewo. Es werde wegen der klimatischen Veränderungen schwieriger und teurer, Landwirtschaft zu betreiben, erzählt sie. Ähnliche Trends gebe es in ganz Europa – langfristig könne das zu Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung führen.

Um gegenzusteuern, spezialisierte sie sich zunächst im Rahmen ihrer Doktorarbeit auf den Agrarsektor. Danach forschte sie am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu den sozialen Veränderungen in der Krise, bis sie zuletzt die Professur am Wegener-Center für Klima und Globalen Wandel an der Uni Graz übernahm.

Eines ihrer ersten Projekte an der Universität Graz sucht Europas größte Schwachstellen in der Klimakrise. Da sei etwa die enorme Abhängigkeit von internationalen Lieferketten, denn die seien krisenanfällig, so Otto. Stattdessen sei es ratsam, die regionale Produktion zu stärken und Lieferketten zu diversifizieren. Eine weitere Schwachstelle liege in der sozialen Ungleichheit. Je ungleicher eine Gesellschaft sei, desto weniger resilient sei sie. (alp, 15.9.2020)