Hart umkämpftes Florida: Hier liegen Donald Trump und Joe Biden Kopf an Kopf. Wer hier verliert, verliert wohl alles.
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Donald Trump tut wieder das, was er am liebsten tut und am besten kann: Wahlkampf führen. Seitdem der Immobilientycoon am 16. Juni 2015 offiziell seine Kandidatur für das Präsidentenamt verkündete, hat er eigentlich nie wieder damit aufgehört. Denn nur auf der Wahlkampfbühne scheint sich Trump wohlzufühlen – die Tagespolitik ist bloß ein Ärgernis und notwendiges Übel.

Kaum war am Samstag sein erster Auftritt auf dem Balkon des Weißen Hauses in Washington absolviert – eine Aktion, die ihm Kritik einbrachte wegen seiner womöglich noch nicht auskurierten Corona-Infektion und wegen des eigentlich für Wahlkämpfe als tabu geltenden Veranstaltungsorts –, konzentrierte sich der Präsident schon voll auf die nächsten Termine.

Am Montag begann im Senat das Hearing für die Nachfolge der verstorbenen Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg. Trumps Kandidatin ist die konservative Juristin Amy Coney Barrett. Er hatte sie am 26. September im Rosengarten des Weißes Hauses präsentiert – die Veranstaltung wurde zu einem Superspreader-Event in der US-Corona-Krise.

Doch Trump hat all das schon hinter sich gelassen, am Montag galt seine Konzentration längst einem für den Nachmittag geplanten Auftritt vor tausenden Fans in Florida. Mit rund 21 Millionen Einwohnern ist der Bundesstaat nicht nur einer der bevölkerungsreichsten, sondern auch ein essenzielles Element jeder Präsidentschaftskampagne: Im Sunshine State werden 29 Wahlmännerstimmen vergeben – also mehr als ein Zehntel jener 270, die für einen Wahlsieg in den USA nötig sind.

Es wird knapp in Florida ...

Florida gilt traditionell als Swing-State ohne feste Mehrheitsstruktur. Zuletzt lag zwar Herausforderer Joe Biden hier in den meisten Umfragen vorne – aber nur mit einem recht mageren Vorsprung von durchschnittlich 4,5 Prozent, wie die Experten von RealClearPolitics.com errechnen.

Abgesichert ist Florida für den Demokraten also nicht; aber ebenso wenig für den Republikaner Trump. Eine Niederlage in seiner Wahlheimat, wo er mit Vorliebe Golf spielt, würde ihn nicht nur persönlich schmerzen: Sie wäre das sichere Aus für jede Präsidentschaftsambition. 2016 konnte Trump Florida mit 49,02 Prozent für sich verbuchen, Clinton bekam rund 100.000 Stimmen weniger und erreichte nur 47,82 Prozent.

In weiteren drei Swing-States war Trumps Wahlerfolg 2016 noch knapper: In Michigan, Wisconsin und Pennsylvania übertraf er Clinton jeweils um nur wenige tausend Stimmen. Pennsylvania mit 20 Wahlmännerstimmen gilt auch am 3. November als Schlüsselstaat – wenngleich es nicht mehr so knapp wie vor vier Jahren zugehen dürfte: Biden führt in allen aktuellen Umfragen mit fünf bis 13 Prozentpunkten Vorsprung.

... in Ohio, ...

Ähnlich stellt sich die Lage auch in Michigan (16 Wahlmänner) und Wisconsin (zehn Wahlmänner) dar. Auch in Ohio wird ein extrem knappes Rennen um die dort zu holenden 18 Delegiertenstimmen erwartet.

Umso wichtiger wird es für Trump sein, in den großen Staaten abzuräumen. Kalifornien – hier wird ein Fünftel aller Delegiertenstimmen vergeben – wird nicht dazugehören: Hier siegten die Republikaner zuletzt im Jahr 1988, für 2020 kann Biden sogar mit einer Zweidrittelmehrheit rechnen. Was aber egal wäre: Die 55 Delegierten hätte Biden auch mit nur einer Stimme Mehrheit auf seiner Seite.

Für eine Überraschung könnte Texas sorgen. Dort kann sich der Sieger am 3. November 38 Wahlmännerstimmen holen. Seit 1976 hat dort kein Demokrat mehr gewonnen, doch 2020 könnte es zu einem Umschwung kommen: Die Mehrheiten für die konservativen Kandidaten schmolzen in den vergangenen zwei Jahrzehnten kontinuierlich dahin.

... aber auch in Texas

Mit Beto O’Rourke haben die Demokraten in Texas eine charismatische Zugmaschine in ihren Reihen, er kampagnisiert mit großem Einsatz für Biden. Der demokratische Herausforderer liegt in dem von 270towin.com ermittelten Umfragendurchschnitt zwar hinter dem republikanischen Amtsinhaber – doch der Vorsprung bleibt knapp.

Und auch Arizona wird interessant: Dort konnte in den vergangenen fünf Jahrzehnten nur einmal – Bill Clinton 1996 – ein Demokrat gewinnen. Am 3. November könnte es wieder so weit sein: Biden wird sich wohl über die zehn Delegiertenstimmen freuen dürfen. (Gianluca Wallisch 12.10.2020)