Her mit dem Grünraum! Der Verein Frisch fordert, dass die Öffentlichkeit nicht nur drei mickrige Wege und einen Kinderspielsplatz auf der Schmelz nutzen kann.

Foto: Christina Condak

Zynisch könnte man behaupten, dass Urbanize, das Festival für urbane Erkundungen, elf Jahre alt werden musste, um erstmals wirklich wichtig zu sein. Doch ist es umgekehrt: Das Festival und die Fragen, die es stellt, waren immer aktuell, seine Relevanz wird aber heuer besonders augenscheinlich – die Pandemie verbannt uns in die Privaträume, von einem zweiten Biedermeier ist die Rede.

Wie sehr das verstimmt, sieht man nicht zuletzt daran, wie unterschiedlich die Gruppen gesinnt sind, die einfach nur rauswollen: Verschwörungstheoretiker demonstrieren auf den Straßen, die Jugend wollte sich Orte wie Karlsplatz oder Donaukanal nicht wegnehmen lassen. Verantwortungslos mag das beides sein, aber es zeigt, wie sehr der Wunsch nach Gemeinschaft und einem Zusammenkommen auch mit dem Wunsch, im wahrsten Sinne des Wortes in der Öffentlichkeit zu stehen, verbunden ist.

"Raum als Gemeingut" lautet das Motto des diesjährigen Urbanize, dessen Veranstaltungen auf die ganze Stadt und vor allem die Randbezirke verteilt sind. Ein 1210-Schwerpunkt lässt sich erkennen – dort wird am Mittwoch auch die Eröffnung am Schlingermarkt mit einem Stationentheater des Wiener Beschwerdechors gefeiert.

Schmelz für alle

Spannend klingt Floridsdorf-technisch auch der Stadtspaziergang zu Zentren geistiger Stadterweiterung, der die Geschichte des politischen Widerstands in den Februarkämpfen 1934 bis zur revolutionären Architektur vieler Gemeindebauten nachzeichnet.

Wie sehr ein grüner Daumen die diversen Bewohner großer Wohnbauten verbindet, wird die Tour zu Nachbarschaftsgärten in Floridsdorf mit Architektur- und Stadtforscher Robert Temel und Landschaftsplaner Leo Söldner zeigen.

Eine Umverteilung des öffentlichen Raums wünscht sich die Initiative Frisch nun schon seit Jahren, konkret geht es ihr um die Schmelz: Der knapp 30 Hektar große Grünraum im 15. Bezirk, der zu 95 Prozent privat genutzt wird, soll für alle zugänglich sein. In Form einer Ausstellung in den Räumlichkeiten der Basiskultur am Burjanplatz werden die Pläne der Initiative präsentiert.

Konsumfreie Räume

Wie dieser haben auch viele weitere Urbanize-Programmpunkte stark politischen Charakter: Wem gehört der öffentliche Raum? Wie kann man ihn sich aneignen?

Das fällt mal spielerisch aus, wie beim Workshop "DIY & Right to the City", bei dem mit den Materialien, die die Stadt hergibt, Spiele für den öffentlichen Raum erfunden werden, oder auch ganz trocken: Beim Thementag "Common Spaces" geht es um rechtliche Rahmenbedingungen und Finanzierungsmodelle, um nachhaltige und konsumfreie Räume zu schaffen. (Amira Ben Saoud, 12.10.2020)