Bürgermeister Michael Ludwig schaffte bei seinem ersten Antritt als Spitzenkandidat der Wiener SPÖ gleich 42 Prozent.

Foto: Heribert Corn

Bürgermeister Michael Ludwig kostet den Wahltriumph vom Sonntagabend noch ein wenig aus. Das liegt freilich auch daran, dass aufgrund des Rekords an Briefwählern auch am Montagabend noch kein Endergebnis der Wien-Wahl vorlag. Die rund 360.000 Wahlkarten sollten laut Stadt bis Dienstagabend oder Mittwochvormittag ausgezählt sein.

Das beeinflusst auch die Suche Ludwigs nach einem neuen Koalitionspartner für die Wiener SPÖ. So wollen die Gremien der Partei erst am Freitag den klaren Wahlsieg analysieren und die weitere Vorgangsweise besprechen. Die SPÖ hat beim ersten Antritt mit Spitzenkandidat Ludwig laut Hochrechnung inklusive Wahlkartenprognose 42,2 Prozent erreicht – ein Plus von mehr als zwei Prozentpunkten im Vergleich zu 2015.

Gespräche mit Parteienvertretern kommende Woche

Ludwig ließ sich bezüglich Koalitionspräferenzen noch nicht in die Karten schauen. Er kündigte an, zunächst mit allen Parteien im Gemeinderat Gespräche führen zu wollen. Übrigens auch mit der FPÖ, obwohl er mit den Freiheitlichen bereits einen Regierungspakt dezidiert ausgeschlossen hat. Ein Fahrplan zu diesen Gesprächsrunden steht noch nicht fest. Fix ist nur, dass diese kommende Woche über die Bühne gehen werden, wie ein Sprecher der Partei dem STANDARD sagte.

Erst danach folgt die Aufnahme von Koalitionsgesprächen – mit zunächst einer Partei. "Parallelverhandlungen sind nicht angedacht", heißt es aus der SPÖ. Mit Grünen, ÖVP und Neos stehen Ludwig drei Partner zur Auswahl, die sich auch allesamt selbst anbieten.

Erste Kritik kam Montagabend vom Bezirksvorsteher der Donaustadt Ernst Nevrivy: Er sagte, er fände es besser für Wien und die Donaustadt, wenn die Grünen nicht mehr das Verkehrsressort führen würden.

Häupl drückte 2015 auf die Tube

Ludwigs Vorgänger Michael Häupl hat 2015 jedenfalls auf die Tube gedrückt. Auch damals fand am 11. Oktober die Wahl statt. Nur drei Tage später startete Häupl bereits mit Gesprächen mit den Spitzenvertretern der anderen Parteien. Neun Tage nach der Wahl nahmen Rot und Grün Koalitionsverhandlungen auf. Der Pakt inklusive eines neuen Regierungsteams stand dann fast genau ein Monat nach der Wahl fest.

Stand 2015 nur Rot-Grün oder Rot-Schwarz (aber mit nur einem Überhangmandat ausgestattet) zur Debatte, sind es diesmal für die SPÖ drei Varianten. Für Ludwig könnte die Ausgangsposition also kaum besser sein – abgesehen von einer absoluten Mehrheit.

Drei mögliche Juniorpartner mit Ambitionen

Die Grünen, die sich inklusive Wahlkartenprognose auf 14 Prozent verbessert haben, sehen im Wahlergebnis einen Auftrag, das Projekt Rot-Grün in einer dritten Auflage fortzusetzen. Vizebürgermeisterin Birgit Hebein dürfte bei ihrem ersten Antreten als Spitzenkandidatin ihr Ziel, das bisher beste Ergebnis in Wien einzufahren, aber laut Prognosen knapp verfehlen: Bei der Wahl 2005 schaffte Vorgängerin Maria Vassilakou 14,6 Prozent.

Auch die ÖVP, die sich auf rund 19 Prozent verdoppelt hat, positioniert sich als möglicher Bündnispartner der SPÖ. Allerdings kündigte Spitzenkandidat und Finanzminister Gernot Blümel die türkise Mitte-rechts-Politik auch als "Quasi-Koalitionsbedingung" an. Im Wahlkampf hatte Blümel etwa gegen den "Sozialmagneten" Wien und gegen die hohe Anzahl von Mindestsicherungsbeziehern gewettert.

Bleiben die Neos mit Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr, die laut Hochrechnungen einen Zugewinn auf 7,8 Prozent verbuchen konnten. Für seine inhaltliche Performance im Wahlkampf wurde Wiederkehr gar von Ludwig gelobt. Allerdings findet es der Stadtchef weit weniger prickelnd, wenn die Neos den "roten Filz" in Wien oder Misswirtschaft anprangern. Eine Koalition mit den Neos wäre ein Experiment mit offenem Ausgang.

Nepp verliert Vizebürgermeister-Amt

Die Wiener Freiheitlichen begingen nach dem desaströsen Abschneiden bei der Wahl traditionell den "blauen Montag". Personelle Konsequenzen aus dem Abrutschen in die Einstelligkeit mit Spitzenkandidat Dominik Nepp könnten nächste Woche erfolgen. Eine Wiedervereinigung der Freiheitlichen mit der Splittergruppe des wohl am Einzug gescheiterten Ex-Chefs Heinz-Christian Strache wird es eher nicht geben. Und: Dominik Nepp wird sein Amt als Vizebürgermeister verlieren. Der Posten stand der FPÖ nach der Wien-Wahl 2015 aufgrund ihrer Stärke im Gemeinderat zu.

Die FPÖ erreichte inklusive Wahlkartenprognose nur 7,7 Prozent. So schwach schnitten die Blauen in Wien zuletzt 1983 ab: Damals schafften sie nur 5,4 Prozent. (David Krutzler, 12.10.2020)

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