Drei sind eine(r) zu viel: Die grüne Frontfrau Birgit Hebein wünscht sich eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition, bekommt momentan aber – zumindest öffentlich – nicht so viel Aufmerksamkeit von Bürgermeister Michael Ludwig wie Christoph Wiederkehr von den Neos.

"Man wird sich über Straßen leichter einigen können als über Bildung." So hat der damalige Wiener SPÖ-Chef Michael Häupl 2010 argumentiert, wieso er mit den Grünen Koalitionsverhandlungen führt und nicht mit der ÖVP. Zehn Jahre später ist es eher umgekehrt. Kaum ein anderes Thema hat im Wahlkampf so einhellige Ablehnung erfahren wie die Verkehrspolitik der Wiener Grünen. Man wolle keine sinnlosen Pop-up-Projekte, darüber waren sich alle anderen Parteien einig. Dazu kommt die klare Ablehnung eines Herzensprojekts der grünen Frontfrau und Vizebürgermeisterin Birgit Hebein: Bürgermeister Ludwig will ihre "autofreie" City nicht.

Die Aussage von Häupl zeigt auch: Es geht in Koalitionsverhandlungen darum, bei welchen Themen man einander möglichst nahekommt. Und Ludwig will in den kommenden Jahren den Fokus auf den Wirtschaftsstandort, die Bildung und die Klimakrise legen. Just jene drei Themen, auf die die Neos im Wahlkampf einen Fokus gelegt haben.

Ludwig als Ermöglicher

Für eine Zusammenarbeit mit den Neos spricht aber auch ein machtpolitischer Faktor: Ludwig könnte sich selbst als Vorreiter positionieren, als einer, der sich traut. Rot-Grün wird immer mit dem Namen Häupl verbunden sein. Ludwig könnte als Ermöglicher von Rot-Pink seinen eigenen Weg gehen.

Dass Rot-Pink eine "g’mahde Wiesn" wäre, heißt das noch lange nicht. Die Neos wollen das Bildungsressort, das nicht nur über ein um ein Vielfaches höheres Budget verfügt als der Verkehr, sondern auch prestigeträchtig ist. Es ist unwahrscheinlich, dass die SPÖ hier nachgibt. Außerdem ist die Mandatsmehrheit in Gemeinderat und Landtag, gemeinsam mit den Grünen, weit komfortabler. Ludwig hätte durch Hebein auch einen Draht in die Bundesregierung, was bei heiklen Verhandlungen nicht schlecht ist. Und die Grünen machen unmissverständlich klar, dass sie die Zusammenarbeit fortsetzen wollen.

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Die Neos und das Gummiringerl

Ganz anders die Neos. Sie sagen zwar auch "Ja, wir wollen". Aber schon vor der Wahl haben sie rote Linien definiert und betont, dass es mit ihnen in der Regierung sicher nicht gemütlich werde. Sie wollen unter anderem gläserne Parteikassen und die Abschaffung von Versorgungsjobs wie die nicht amtsführenden Stadträte. Als jene Partei, die sich Transparenz an die Fahnen heftet, müssen sie das fordern. Sollte der Wille mitzuregieren und zu gestalten aber tatsächlich so groß sein wie namhafte Pinke dieser Tage betonen, müsste so manche rote Linie schlussendlich zum roten Gummiringerl werden: Das kann man dehnen, ohne dass es reißt. (Lara Hagen, 12.10.2020)