Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ) wird ab kommender Woche Gespräche mit Birgit Hebein (Grüne), Gernot Blümel (ÖVP) und Christoph Wiederkehr (Neos) führen.

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SPÖ mit Neos

Wären die Neos der Koalitionspartner der SPÖ, dann wären sie wohl so etwas wie die nervige kleine Schwester, die petzen geht, wenn der Große etwas falsch gemacht hat. Möglich wäre die Konstellation jedenfalls: Die Pinken, die sich in der Rolle gefallen würden, gieren nach Regierungsverantwortung, und die Roten schließen deren Beteiligung zumindest nicht aus.

Inhaltliche Gemeinsamkeiten gäbe es einige. Etwa im Bereich Bildung, der den Neos ein Herzensthema ist. Da sind etwa beide Parteien dafür, dass die Gesamtschule in ganz Wien praktiziert wird. Außerdem wollen beide die Muttersprache der Kinder im Regelunterricht fördern und im Gegenzug keine Deutschpflicht in der Pause.

Auch gesellschafts- und gesundheitspolitisch gibt es Überschneidungen. Rot wie Pink positionieren sich gegen die geringere Sozialhilfe neu und für kostenlose Schwangerschaftsabbrüche im Wiener Gesundheitsverbund. Auffallend war zuletzt, dass sich Kritik der Neos in Bezug auf die Corona-Krise vor allem auf den Bund, kaum aber auf Wien konzentrierte.

Christoph Wiederkehr spart nicht mit Kritik an der SPÖ, will aber ihr Partner sein.
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Weniger einig ist man sich in Wirtschaftsfragen. Da sind die Neos betont liberaler als die SPÖ, etwa wenn es um Sonntagsöffnungen geht. Die Pinken treten da für eine generelle Flexibilisierung der Öffnungszeiten ein, die SPÖ ist aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes dagegen. Auch beim sozialen Wohnbau – einem roten Kernthema – sind die beiden uneins. Für die Roten sollen Sozialwohnungen vor allem an die Menschen gehen, die schon länger in Wien wohnen. Für die Neos soll das Einkommen im Vordergrund stehen.

Allerdings: Weder wirtschaftliche noch wohnbauspezifische Fragestellungen wären für die Neos eine rote Linie. Die ziehen sie bei den Bereichen Bildung und Kontrolle. In Bezug auf Letzteres fordern sie die "gläserne Parteikasse" und die Abschaffung von Versorgungsjobs. Für langjährige Regierende könnte das bedrohlich klingen.

Entscheidend wird in der Frage um Rot-Pink sein, ob die Roten sich mit einer so dünnen Mehrheit in die nächste Amtsperiode trauen. Auf der anderen Seite müssen die Neos entscheiden, ob sie auch ohne (Bildungs-)Stadtratsposten in die Regierung wollen. Und wie ernst sie es damit meinen, wenn sie sagen, sie wollen die Mächtigen kontrollieren.


SPÖ mit Grünen

Es wäre jene Variante, bei der Bürgermeister Michael Ludwig in mehrerlei Hinsicht auf die sichere Karte setzen würde: die Fortsetzung der bisherigen rot-grünen Koalition. Doch während die amtierende Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) von einem "klaren Auftrag" für Rot-Grün III sprach, ließ sich Ludwig zu keinem Bekenntnis zu seinem aktuellen kleinen Koalitionspartner hinreißen.

Doch es gibt Argumente für beide, die für eine Fortsetzung der Koalition sprechen: Da wäre der Faktor Beständigkeit in Zeiten der Krise, zudem die äußerst stabilen Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat.

Birgit Hebein wirbt offensiv für die Fortsetzung der rot-grünen Koalition.
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Bei vielen Themen gibt es inhaltliche Schnittmengen: So sind die beiden in der Sozialpolitik auf einer Linie. Gesehen hat man das bei der Diskussion rund um die Einführung der Sozialhilfe neu. Da waren sich Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und die als Sozialpolitikerin bekanntgewordene Hebein schnell einig, bevor sie gemeinsam mit dem Gang zum Verfassungsgerichtshof drohten. Auch beim Thema Wohnen sind sich Grün und Rot beim Fokus auf die Errichtung neuer Gemeindebauten einig. Hier würden weder eine Deutschpflicht noch höhere Mieten für Besserverdienende zur Diskussion stehen.

Bruchlinien gibt es im Bereich Verkehr. Diese gipfelten in dem öffentlichen Streit um die autofreie Wiener City wenige Wochen vor der Wahl. Hebein könnte es sich nicht leisten, das Projekt in einer etwaigen nächsten Regierungsperiode zu begraben, Ludwig müsste also einen Kompromiss finden. Auch an Projekten wie dem Lobautunnel zeigen sich Gegensätze: Mit den Grünen als Koalitionspartner würde sich Ludwig den Widerstand gegen derartige Projekte erneut in die Koalition holen.

Und nicht zuletzt dürften sich die Vertreter jener Bezirke gestärkt sehen, die als Kritiker der rot-grünen Koalition gelten und die von Projekten wie den Pop-up-Radwegen wenig halten: So gewann die SPÖ aller Voraussicht nach etwa nicht nur in Simmering und der Leopoldstadt den Bezirksvorsteher zurück, sondern legte überhaupt in den Flächenbezirken überproportional viel zu.Erste Kritik kam Montagabend vom Bezirksvorsteher der Donaustadt Ernst Nevrivy: Er sagte, er fände es besser für Wien und die Donaustadt, wenn die Grünen nicht mehr das Verkehrsressort führen würden.


SPÖ mit ÖVP

Die Wiener SPÖ hat zuletzt im Jahr 1996 die ÖVP zum Regierungstanz gebeten. Bernhard Görg war danach bis zum Frühjahr 2001 Planungsstadtrat und schwarzer Stellvertreter des damaligen Bürgermeisters Michael Häupl. Letzterer hatte bei seinem zweiten Antreten in Wien die absolute rote Mehrheit verloren und eigentlich keine andere Wahl als die ÖVP, um mit deren Mandaten eine Mehrheit im Stadtsenat bilden zu können. Die zweitstärkste FPÖ kam schon damals nicht infrage, die Grünen hatten gerade noch zu wenig Stimmen, die Neos gab es noch nicht.

Gernot Blümel wäre "mit Freude" Vizebürgermeister von Wien.
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Diesmal bieten die rechnerischen Umstände eine größere Auswahl für die SPÖ. Die größte Schnittmenge mit der ÖVP ist der wirtschaftliche Kurs beider Parteien. Bei Themen wie Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, Abbau von Bürokratie und Hinwendung zu digitalen Amtswegen, Stärkung von institutionellen Investoren, Eigenkapitalfonds für KMU und Förderung von Unternehmensanreizen in der Bundeshauptstadt ziehen die Wiener Roten und Türkisen, allen voran Bürgermeister Michael Ludwig und der Wiener Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck, an einem Strang.

Mit Ruck hat Ludwig in den vergangenen Monaten mehr gemeinsame Projekte medienwirksam aufgezogen als mit seiner Koalitionspartnerin Birgit Hebein von den Grünen. Ludwig und Ruck haben Hebein zuletzt auch zu deren Idee einer (möglichst) autofreien Innenstadt einen gemeinsamen Korb gegeben.

Mit Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der nach eigenen Angaben "mit Freude" Vizebürgermeister wäre, verbindet die SPÖ Wien hingegen wenig. Im Wahlkampf wurde zuletzt durch wechselseitige Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Management der Coronavirus-Krise viel Porzellan zerschlagen – auch wenn dieses Match hauptsächlich von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und dem Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ausgetragen wurde.

Die klarste Bruchlinie zwischen der Wiener SPÖ und den Stadttürkisen offenbart sich aber in Fragen der Migration. Besonders deutlich wurde das, als es darum ging, Kinder und Jugendliche aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria in Griechenland nach Österreich zu holen. Wien war bereit, Blümel und die ÖVP lehnten ab. (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, Michael Simoner, 12.10.2020)