"taz": Türkise Parteimutation

"Von den zuletzt 30 Prozent der FPÖ sind zehn Prozentpunkte an die ÖVP gegangen, die längst nicht mehr die bürgerlich-urbane Partei aus dem letzten Jahrhundert ist, sondern (...) zur neokonservativen Partei mutierte, die mit großem Erfolg Themen und Parolen der FPÖ übernommen hat. 3,6 Prozent konnte Ex-FPÖ-Chef HC Strache für sich begeistern, und acht blieben den Blauen treu. Der Rest hat sich ins Lager der Nichtwähler verabschiedet, dürfte aber in Zukunft von einem geschickten Demagogen wieder mobilisiert werden können."

"Dolomiten": Politisch tot

"Es (das Debakel von FPÖ und Team HC Strache) reihte sich freilich in die Serie von deftigen Niederlagen, die die Rechtspopulisten seit Ibiza erlitten haben und erleiden. Und dass es just in der Millionenmetropole Wien noch einmal schlimmer kam, in der Stadt, in der die Freiheitlichen in den Arbeiterbezirken über Jahrzehnte so erfolgreich bei der SPÖ gefischt hatten, lässt einen Schluss zu: das sogenannte dritte Lager ist auf absehbare Zeit politisch tot."

Heinz-Christian Strache (THC), Dominik Nepp (FPÖ) am Wahlabend.
Foto: Heribert Corn / https://www.corn.at

"Süddeutsche Zeitung": Wähler in Warteposition

"40 Prozent der Wähler in Wien sind am Sonntag lieber daheimgeblieben und haben gar nicht abgestimmt; sehr viele von ihnen hatten, das zeigt die Wählerstromanalyse, vorher FPÖ gewählt. Sie warten womöglich entweder darauf, dass sich ihre alte Partei berappelt – oder dass sich eine neue, nicht durch den Ibiza-Skandal, Straches Spesenaffäre und interne Machtkämpfe beschädigte Partei am rechten Rand anbietet."

"Neue Zürcher Zeitung": Wien erneuern

"Mit seinem Wahlsieg in der roten Hochburg wird Michael Ludwig als einflussreichste Stimme innerhalb der SPÖ bestätigt. Die arg gebeutelte einstige Großpartei kann das positive Signal aus Wien gut gebrauchen. Dass Ludwig bei zukünftigen Führungsdiskussionen ein wichtiges Wort mitreden wird, aber als Parteivorsitzender nicht infrage kommt, unterstreicht die Bedeutung des Bürgermeisterpostens: Als Chef des Wiener Apparates ist er deutlich mächtiger. (...) Nach der Feier des Wahlsiegs muss Ludwig zeigen, dass er die sozialdemokratischen Traditionen Wiens nicht nur verwalten, sondern auch erneuern kann; die große Krise inklusive einer absehbaren Pleitewelle steht der Stadt erst bevor." (red/APA, 12.10.2020)