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Greenpeace hat seine eigenen Experten zur Probenentnahme losgeschickt. Russische Forscher halten das massenhafte Auftreten eines Einzellers für die Ursache des Sterbens unter den Meeresbewohnern.
Foto: Reuters/Dmitry Sharomov/Greenpeace Russia

Moskau – Das mysteriöse Massensterben von Meerestieren vor der Küste der Halbinsel Kamtschatka im fernen Osten Russlands nimmt offenbar kein Ende. Nun sei weiter südlich jener Strände, wo zuvor Tausende verendete Meeresbewohner an Land gespült worden waren, erneut zahlreiche Todesfälle unter der marinen Fauna beobachtet worden, berichtet die "Moscow Times".

Unterdessen wollen russische Experten bei der Suche nach der Ursache für die Umweltkatastrophe nun fündig geworden sein. Erste Analysen von Wasserproben hätten eine "hohe Konzentration" von einzelligen Algen der Gattung Gymnodinium nachgewiesen, zitierten russische Nachrichtenagenturen am Montag den stellvertretenden Leiter der Russischen Akademie der Wissenschaften, Andrej Adrijanow. Diese könnten zumindest zum Teil für das Massensterben verantwortlich sein.

Tiefgrüner Schaumteppich

Die Proben stammen unter anderem von einem gut 40 Kilometer langen Schaumteppich auf dem Meer, der in der vergangenen Woche entdeckt worden war. Der Schaum hätte eine gelbe bis tiefgrüne Färbung gehabt, sei an einigen Stellen rund 100 Meter breit und treibe auf die Kurilen-Inseln zu, hatten Wissenschafter der Fernöstlichen Staatlichen Universität Wladiwostok erklärt.

Nach Angaben von Adrijanow produzieren die Gymnodinium-Algen ein Toxin mit verheerenden Auswirkungen auf wirbellose Tiere. Auch bei Menschen können sie demnach Gesundheitsprobleme auslösen. Einwohner Kamtschatkas hatten in der vergangenen Woche erstmals Alarm geschlagen und von unzähligen toten Meerestieren sowie bei Menschen von Problemen wie Augenbrennen und Erbrechen berichtet. Die Behörden leiteten Ermittlungen ein, als Ursache waren unter anderem giftige Chemikalien aus Sowjetzeiten vermutet worden, die in der Nähe der betroffenen Strände lagerten.

Keine Hinweise auf Umweltgifte

Bei den vorangegangenen Analysen seien allerdings keine Spuren von Phenolen, Erdölprodukten oder Schwermetallen in Wasserproben an den anliegenden Flüssen Mutnuschka und Nalytschewa entdeckt worden, sagte der Direktor des Instituts für Vulkanologie und Seismologie, Alexej Oserow, am Montag. Als Quelle für die Verschmutzung komme auch ein Schießplatz der Armee nicht infrage. Dort würden weder Raketentreibstoffe noch Schmierstoffe gelagert. Bereits zuvor hatte die Verwaltung der Region Kamtschatka mitgeteilt, dass auch bei einer stillgelegten Mülldeponie keine Hinweise auf eine Vergiftung der Umwelt gefunden worden seien.

Auch Adrijanow schloss derartige Hypothesen aus. Das Phänomen der Algenkonzentration sei für die Halbinsel "keine Seltenheit", sagte er. Er fügte hinzu, die Natur werde sich "von allein und sehr rasch" wieder regenerieren. "Es genügt zu warten, das Phänomen wird von selbst wieder verschwinden." Entgegen dieser Prognose hatte die Umweltorganisation Greenpeace noch am Sonntag auf einer Pressekonferenz beklagt, dass sich die "Situation nicht verbessert".

Proben aus verendeten Meerestieren

Nach wie vor würden in der Bucht tote Tiere angeschwemmt. Die Organisation hat demnach tote Seesterne und Seeigel gesammelt, um sie untersuchen zu lassen. Sie geht davon aus, dass sich in ihrem Gewebe leichter Giftstoffe analysieren lassen als im Meereswasser. In einer Petition forderten knapp 175.000 Menschen am Montag eine "offene Untersuchung". (red, APA, 13.10.2020)