Flinke Fische, die anderen Meeresräubern entkommen konnten, hatten in Gavialimimus ihre Nemesis gefunden.
Illustration: Tatsuya Shinmura

"Mimen" gab es unter den Dinosauriern so einige. Soll heißen: Spezies, die ihren Namen deshalb erhielten, weil sich Paläontologen von deren Anatomie an heute lebende Tiere erinnert fühlten. Da hätten wir etwa den aus "Jurassic Park" bekannten Gallimimus, was wörtlich "Hühnernachahmer" bedeutet. Oder Anserimimus, der an eine Gans erinnern soll, und Struthiomimus, den Straußenimitator.

Von diesen dreien ist die letztere Namensgebung die treffsicherste: Alle drei Spezies gehörten zur selben Gattung, die in der späten Kreidezeit lebte und Vertreter von drei bis sechs Meter Länge hervorbrachte. Es waren schlank gebaute Tiere mit langem Hals und Schwanz, die auf zwei Beinen liefen und vermutlich hohe Laufgeschwindigkeiten erzielten. Statt eines zähnestarrenden Mauls hatten sie einen Schnabel, außerdem trugen sie ein Federkleid.

Der Neue

Nun ist ein Zeitgenosse dieser Vogelimitatoren nach demselben System benannt worden – der kam allerdings aus einer ganz anderen Gruppe und hat auch ein anderes "Vorbild": Gavialimimus almaghribensis war ein großgewachsener Meeresräuber. Sein Körper lässt sich aus den paar gefundenen Knochen nicht sicher rekonstruieren. Aber alleine sein Schädel, der in einer Phosphatmine in Marokko ausgegraben wurde, maß einen Meter.

Und dieser Schädel war nicht nur lang, sondern auch auffallend schmal und hatte ineinander greifende Zähne. Seine Entdecker von der University of Alberta erinnerte das Tier mit diesem Merkmal an den Gavial, den anatomisch ungewöhnlichsten Vertreter, den die Krokodilverwandtschaft heute vorzuweisen hat. Gavialimimus war jedoch kein Krokodil, sondern ein Mosasaurier.

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Eine Schnauze wie der Gavial hat kein anderes Krokodil. Sie ist ganz auf den Fischfang spezialisiert.
Foto: AP Photo/M.Lakshman

Mosasaurier standen lange Zeit ein bisschen im Schatten älterer und prominenterer Gruppen von Meeresräubern, etwa der langhalsigen Plesiosaurier oder der delfinförmigen Ichthyosaurier. Spätestens seit den kurzen, aber spektakulären Auftritten eines Exemplars in "Jurassic World" dürfte sich das geändert haben, und die Mosasaurier haben ihrerseits zu dem Bekanntheitsgrad gefunden, der ihnen zusteht.

Im Verlauf der Kreidezeit hatten sie ihre älteren Konkurrenten schon weitgehend verdrängt und waren zur dominierenden Gruppe fleischfressender Meeresriesen aufgestiegen – die größten Exemplare konnten 13 bis 17 Meter lang werden. Und anders als ihre Vorgänger haben sie immer noch lebende Verwandte. Die Plesiosaurier gehörten zu einem Zweig des Lebens, der mit dem Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren endgültig gekappt wurde, die Ichthyosaurier waren schon gut 20 Millionen Jahre vorher ausgestorben. Die Mosasaurier aber waren Schuppenkriechtiere, von denen es heute immer noch tausende Arten gibt. Ihre engsten noch lebenden Verwandten sind Schleichen und Warane.

Eine (über-)große Vielfalt ...

Knapp 40 Arten von Mosasauriern hat man bereits identifiziert, und was das eigentlich Erstaunliche ist: Mehr als ein Dutzend aus dieser weltweiten Artenvielfalt teilte sich jene Meeresregion, zu der das heutige Marokko gehörte, wie man aus den dort gefundenen Fossilien weiß. Für Paläontologen war es lange Zeit ein Rätsel, wie so viele verschiedene Arten von großgewachsenen Fleischfressern nebeneinander existieren konnten.

Die Antwort auf diese Frage lautet Spezialisierung, wenn es nach Catie Strong geht, die das Forschungsteam leitete. Manche Arten machten mit ihren riesigen zähnestarrenden Mäulern Jagd auf große Beute, wie es dem klassischen Bild von Mosasauriern entspricht. Erst vor einem Jahr wurden in der Gegend aber die Fossilien eines Exemplars mit stark abgerundeten, teilweise fast halbkugelförmigen Zähnen entdeckt. Globidens simplex war wohl darauf spezialisiert, Panzer und Schalen zu knacken – die von Ammoniten, Muscheln, Krebsen oder auch Schildkröten.

... wird langsam erklärbar

Und nun hat man mit Gavialimimus eine weiteren Spezialisten entdeckt. Seine Gavialschnauze dürfte – ganz wie bei seinem "Vorbild" – darauf angelegt gewesen sein, schnelle und eher kleine Fische zu packen. Die Schnauze von Gavialimimus und die Zähne von Globidens sind laut Strong aber nur die auffälligsten Beispiele für die Diversifizierung der Mosasaurier. Die Paläontologin geht davon aus, dass auch die übrigen Arten kleine, aber entscheidende Besonderheiten in Anatomie oder Verhalten aufwiesen.

So konnte jede Art ihre eigene ökologische Nische besetzen und neben den anderen existieren – in einem Lebensraum, der "mit Mega-Prädatoren scheinbar überfüllt war" und in dem man definitiv nicht gerne schwimmen gegangen wäre. (jdo, 17. 10. 2020)