Der Farmdroid FD20 aus Dänemark bewegt sich zwar nur im Schneckentempo, lernt aber zusehends, zu säen, zu ernten und Unkraut zu entfernen.

Foto: Farmdroid

Manchmal kommt die Revolution nur im Schneckentempo daher. Mit weniger als einem Kilometer pro Stunde schiebt sich das Gefährt, das an einen Tisch mit Rädern erinnert, ohne menschliches Zutun übers Feld.

Es ist ein Roboter: Die vermeintliche Tischplatte sind Solarzellen, die Energie liefern für den Antrieb und für die Metallhaken, die im Erdreich herumkratzen. So unbeholfen die Bewegung aussieht – sie steht für eine grundlegende Veränderung in der Landwirtschaft. Die autonomen Maschinen kommen. Sie übernehmen Tätigkeiten, die kein Mensch gern tut, und sie schonen die Umwelt.

Einer davon ist der Farmdroid FD20 aus Dänemark. Mit seinen Kratzbewegungen rupft er zarte Unkrautpflänzchen, auf dass die Rüben besser wachsen. Was Menschen seit Jahrtausenden können – Nutzpflanzen von unerwünschtem Wuchs zu unterscheiden und Letzteren gezielt zu entfernen –, daran scheiterten Roboter allzu häufig. Doch inzwischen gelingt es ihnen immer besser.

Auf zwei Zentimeter genau

Der Farmdroid muss nicht einmal hinschauen. Er bringt die Samenkörner selbst aus und merkt sich mittels satellitengestützter Navigation die Position auf zwei Zentimeter genau. Kommt er später erneut aufs Feld, orientiert er sich zunächst mit seinen GPS-Antennen und kratzt dann gezielt um die mutmaßlichen Standorte der Rüben oder Zwiebeln herum. Dank solarstromgespeister Batterien tut er das auch bei wolkigem Himmel und nachts.

"Die Präzision wird immer höher", sagt Hansueli Dierauer vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im schweizerischen Frick. Er forscht seit Jahren zu Robotern und Precision-Farming und begleitet aktuelle Tests des Farmdroid in der Schweiz. "Was das Gerät tut, sieht relativ einfach aus, aber es ist ein enormer Fortschritt."

Solarzellen auf der Oberseite des Farmdroid liefern permanent Energie.
Foto: Farmdroid

Zwischen den Reihen der Kulturpflanzen werde schon länger mit kameragestützten Systemen gehackt, um Unkraut zu entfernen. Innerhalb der Reihen jedoch gelang es nicht: Rotierende Räder mit stäbchenförmigen Aufsätzen zum Beispiel, die ähnlich menschlichen Fingern in die Krume greifen, hätten nicht wirklich was gebracht, sagt Dierauer. Der Hackroboter von Farmdroid bekommt das besser hin, wie die Tests auf insgesamt acht Hektar in der Schweiz zeigen.

Deep Learning auf dem Feld

Die Erwartung, dass er sich auf jedem Feld absetzen ließe und selbstständig seinen Job machen würde, erfüllt er aber noch nicht. Anfangs kamen viele Fehlermeldungen, berichtet Dierauer.

Glücklicherweise habe der Sohn eines beteiligten Landwirts, der Corona-bedingt zu Hause war statt an der Hochschule, sich um den Roboter gekümmert, immer wieder mit den Technikern telefoniert und den Farmdroid zum Laufen gebracht. "Das ist normal, der Roboter ist noch im Experimentierstadium", sagt der FiBL-Forscher.

Andreas Keiser von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Bern ist an den Forschungen beteiligt, allerdings auch mit Blick auf die konventionelle Landwirtschaft.

Konventionelle Landwirtschaft

Hierfür bietet das Schweizer Unternehmen Ecorobotix den autonomen Roboter Avo, der Unkraut mittels Kamera erkennt und gezielt mit Herbizid besprüht, was den Verbrauch und damit die Umweltbelastung deutlich reduzieren soll. "Auf der Testfläche der Firma hat der Roboter gut gearbeitet, aber bei uns kam er anfangs gar nicht zurecht und hat statt Pflanzen schon mal Steine gespritzt", sagt Keiser. Die Entwickler haben der Deep-Learning-Software nochmals zig Fotos von Unkraut und Nutzpflanzen gezeigt. Nun funktioniere die Erkennung gut, berichtet der Forscher.

Roboter Avo erkennt Unkraut mittels Kamera und besprüht es gezielt mit Herbizid.
Foto: Ecorobotix

Bei den Robotern von Ecorobotix und Farmdroid beeindrucke ihn deren Präzision. Er glaubt, dass diese künftig Arbeiten im Feld selbstständig ausführen werden. "Vorher müssen jedoch die Anwenderfreundlichkeit und die Zuverlässigkeit noch deutlich verbessert werden", sagt Keiser. "Die Nutzer bisher sind sehr technikaffin und mögen es, sich damit zu befassen – doch das tun längst nicht alle Landwirte."

Innovationsdruck

Auch müsse die Fehlerquote kleiner werden, beim Farmdroid etwa müssten Menschen auf dem Feld nacharbeiten, was die Maschine versäumt hat. Deren Lohnkosten kommen zu den Investitionen von rund 75.000 Euro für den Roboter hinzu. Der Avo von Ecorobotix ist auf ähnlichem Niveau.

Zur Markteinführung im kommenden Jahr soll er nach Firmenangaben unter 90.000 Euro kosten. Hansueli Dierauer rechnet allerdings mit einem deutlichen Preisrückgang bei Farmrobotern, wenn die Entwicklung vorangeht und mehr Geräte verkauft werden: "Wie früher bei den Computern."

Dann wird es umso wahrscheinlicher, dass der Einsatz günstiger ist als die herkömmliche Bewirtschaftung mittels Traktor und diverser Anbaugeräte sowie menschlicher Arbeitskräfte. Zumal diese immer schwerer zu finden sind für die oft anstrengenden Tätigkeiten. Fehlen die Leute, haben Roboter bessere Chancen. Ein Innovationsdruck, den man auch aus anderen Branchen kennt, etwa bei Lieferdiensten oder der Pflege.

Ruf nach Robo-Erntehelfern

Manchmal kann es auch sehr rasch gehen mit dem Personalmangel. Darauf weist Jürgen Karner von der Fachhochschule Wiener Neustadt hin. "Das haben wir bei der Pandemie gesehen, auf einmal hatten die Landwirte nicht genügend Arbeitskräfte", sagt er. "Dann wird der Ruf nach robotischen Systemen lauter."

Der Agrartechnologe sieht ebenfalls Potenzial für Farmroboter, jedoch zuerst beim Pflanzenschutz und der Bestandspflege. "Auch im Biolandbau wird gespritzt, zwar mit geringer Dosis, aber dafür häufiger", sagt Karner. Keiner mache das gern, stundenlang im Nebel zu stehen. "Hier wäre ein ideales Einsatzgebiet für Roboter." Bei der Ernte ist er eher skeptisch. "Hier mangelt es an der Flächenleistung", sagt der Forscher.

Um binnen weniger Tage große Felder zu ernten, etwa bei Getreide, brauche man die bekannten großen Geräte. Anders verhalte es sich bei speziellen Kulturen, wo höhere Umsätze zu erzielen sind. Tatsächlich sind Ernteroboter für Erdbeeren und Äpfel sehr weit fortgeschritten. Bis die autonomen Geräte in größerer Zahl in die Praxis kommen, bedienerfreundlicher und billiger sind, werden aber noch gut 15 Jahre vergehen, schätzt Karner.

Pflanzenschutzmittel sparen

Andreas Keiser von der HAFL meint, dass die Robotertechnologien auch anderswo nutzbar seien. "Die kameragestützte Unkrauterkennung mit gezielter Herbizidgabe, wie sie bei dem Roboter getestet wird, könnte auch auf einer herkömmlichen, mehr als 30 Meter breiten Feldspritze funktionieren", sagt er. "Damit würde die Anwendung effektiver, was erhebliche Mengen an Pflanzenschutzmitteln einsparen könnte."

Immer wichtiger wird auch die Frage, wie es um die Sicherheit der Geräte steht. Die Geräte sind so programmiert, dass sie ein durch GPS-Koordinaten definiertes Feld nicht verlassen, und haben Sensoren dank derer sie stoppen, sobald ein Mensch in der Nähe ist.

"Bei einem Hackerangriff könnten diese Mechanismen überwunden oder anderweitig Schaden angerichtet werden", warnt Keiser. Auch darum müssten sich die Hersteller kümmern und entsprechende Vorkehrungen treffen. (Ralf Nestler, 23.10.2020)