"Die praktische Arbeit mit Betroffenen ist für mich eine starke Quelle der Inspiration", sagt Buchner.

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"In meiner Arbeit beobachte ich, dass für benachteiligte Gruppen das Leben zusehends schwieriger wird, gleichzeitig aber das Verständnis für deren Situation und die Notwendigkeit von sozialem Ausgleich in der Gesellschaft sinkt", bringt Elisabeth Buchner ihre beruflichen Erfahrungen auf den Punkt.

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Internationalen Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen in Salzburg (IFZ) hat die Soziologin und Politikwissenschafterin tiefe Einblicke in die Lebensverhältnisse von Menschen an den gesellschaftlichen Rändern gewonnen. Etwa von Reinigungskräften in öffentlichen Einrichtungen, die sie zurzeit für ein Buchprojekt interviewt.

"Ich möchte damit Perspektiven aus der sozialen Wirklichkeit einfangen, die üblicherweise nicht als Datenquelle bei der Bewertung von Institutionen herangezogen werden", sagt die Wissenschafterin. Was macht eine "gute" Institution eigentlich für diese Berufsgruppen aus? Sind doch viele Reinigungskräfte über Leihfirmen angestellt, wodurch sie finanziell und arbeitsrechtlich viel schlechter gestellt sind als Bedienstete der Einrichtung, in der sie arbeiten.

"Auch andere Dimensionen guter Arbeit – Anerkennung, Selbstwirksamkeit und Zugehörigkeit – sind für diese Menschen stark eingeschränkt", weiß Buchner. "Ihre Situation bleibt aber unter dem Radar der Politik und des öffentlichen Diskurses – sofern nicht gerade ein Engpass bei Pflegerinnen oder Saisonarbeitern auftritt."

Soziale und ethische Fragen

Wie bei allen IFZ-Projekten geht es in Buchners Arbeit letztlich um die Verbindung von empirischer Sozialforschung mit angewandter Ethik. Im Zentrum stehen dabei prekarisierte Berufsgruppen, Sozialhilfebezieher, Asylsuchende und andere benachteiligte Gruppen.

Für ihre soziologische Masterarbeit hat die gebürtige Oberösterreicherin, die auf einem Biobauernhof aufwuchs, fast ein Jahr in Bolivien gelebt. Sie wollte vor Ort und im unmittelbaren Kontakt mit den Betroffenen herausfinden, wie es um die Bildungschancen von indigenen Jugendlichen steht und inwieweit Bildung in einer postkolonialen Gesellschaft zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen kann.

Soziale und ethische Fragen bestimmen auch Buchners Engagement beim Salzburger Verein zur Förderung internationaler Solidarität "Intersol", bei dem sie neben ihrer IFZ-Tätigkeit 15 Stunden pro Woche arbeitet. Und natürlich auch ihre Freizeit: Da kümmert sie sich dann ehrenamtlich um "Notreisende", landläufig "Bettler" genannt.

Ihr Anspruch: "Wissenschaftliches Wissen nutzen, um die soziale Realität zu verändern." Und weil ihr politisches und soziales Engagement auf einer soliden Basis ruhen soll, ist für die 34-Jährige "first hand experience" unverzichtbar.

"Die praktische Arbeit mit Betroffenen ist für mich eine starke Quelle der Inspiration", sagt Buchner. "Zu erkunden, wie andere Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Positionen heraus die Wirklichkeit wahrnehmen, relativiert die eigenen Denksysteme und eröffnet eine breitere Perspektive."

Für regelmäßige Horizonterweiterungen sorgen darüber hinaus auch Ausflüge in die Salzburger Bergwelt und nicht zuletzt die tägliche Meditationspraxis der Wissenschafterin. (Doris Griesser, 21.10.2020)