Hans Bürger am Samstag in der "Zeit im Bild" über Lockdown-Szenarien.

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Wien – Eineinhalb Millionen Menschen haben am Samstag die Zeit im Bild im ORF gesehen. TV-Innenpolitikchef und Vizechefredakteur Hans Bürger hat ihnen dort einen neuerlichen, aber "weichen" Lockdown ab 2. November in Aussicht gestellt –, oder auch ab 16. November über "zwei, drei Wochen".

Diese Konzepte zu weiteren Corona-Maßnahmen hätten sich in der Regierung "herauskristallisiert", sagte Bürger. Er hat damit, das lässt sich aus Publikumsreaktionen nicht alleine auf Social Media schließen, einige Menschen verunsichert.

Bürger erklärt seine Aussagen auf STANDARD-Anfrage so: "Immer wieder urgieren Kritiker, dass auch die 'ZiB' ab und an Exklusives haben sollte. Bringen wir also Exklusives, ist meist die Aufregung groß, allerdings meist bei jenen Journalisten, die diese Information nicht haben."

"Eine Frechheit"

Bürger: "Zu behaupten, ich hätte ausschließlich Gerüchte weitergegeben, ist eine Frechheit. Glaubt jemand im Ernst, dass ich nach 33 Jahren ORF-Innenpolitik das machen würde?" Bürger leitet das Ressort Innenpolitik/EU bereits seit 2002.

Seine Informationen stammten weder aus dem Bundeskanzleramt noch aus dem Gesundheitsministerium, erläutert der Ressortchef: "Ich stütze meine Aussagen auf vier Expertenquellen, die mir unabhängig voneinander am Freitag und Samstag mitgeteilt haben: Seit Wochen ist ein Lockdown-Konzept in Ausarbeitung – extrem harte Diskussionen innerhalb der Regierung/Ministerien/Experten. Allerdings bemüht man sich um einen anderen Namen. Vermutlich 'partieller Shutdown'. Schulen bleiben offen – Lebensmittelgeschäfte bleiben offen. Was sonst noch genau, wird noch verhandelt. Aus zig Szenarien sei man (Stand Samstag, 10. Oktober 2020) bei zwei realistischen gelandet. 2. November oder 16. November, Dauer zwei bis drei Wochen."

Nachsatz: "Ein harter Lockdown sei ja laut Corona-Maßnahmengesetz vom Oktober 2020 nur in Notfallsituationen erlaubt, deshalb habe ich diesen Paragraf 5 in der Live-Analyse auch vorgelesen."

Offizielle Bestätigungen für solche Maßnahmen stehen bisher aus.

Hans Bürger in der "Zeit im Bild" am Samstag.
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"Um Gottes willen"

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) habe schon vorigen Donnerstag einen neuerlichen Lockdown nicht ausschließen wollen, erinnert Bürger: "Damit haben ab Donnerstag, 8. Oktober alle Medien über die Gerüchte tagelang berichtet, ich habe sie halt recherchiert."

Wenn Recherchen nun ergeben, dass sich "das derzeit zumindest so abzeichnet", wie Bürger in der "ZiB" erklärte: Sollen Journalistinnen und Journalisten dann solche Szenarien berichten, wenn sie das Publikum nachhaltig verunsichern können?

Diese STANDARD-Frage erstaunt Bürger: "Ich soll eine Information zurückhalten, weil sie das Volk verunsichert? Das soll Journalismus sein? Um Gottes willen! Journalismus, der die Folgen seiner Berichte mit einbezieht, ist toter Journalismus." Und fragt, ob er die Frage an Armin Wolf oder Dieter Bornemann oder Florian Klenk weiterleiten darf. Bürger dazu weiter: "Wäre in den 1980ern über Jörg Haider nie berichtet worden, wäre diese Partei heute noch bei fünf Prozent."

Die Regierung verbreite "diese Gerüchte seit Wochen selbst. An ihr liegt es, in einer Pressekonferenz zu sagen: kommt oder kommt nicht", ergänzt der ORF-Journalist.

Wie seine Lockdown-Infos beruhe auch seine Aussage über Markus Reiter als möglichen nächsten Grünen-Chef in Wien auf mehreren Quellen. (fid, 13.10.2020)