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Es dämmert rötlich: Birgit Hebein hat die Wiener Grünen zu einem Wahlerfolg geführt; sie könnte aber auch der Grund sein, warum eine Fortsetzung der Koalition mit der SPÖ nicht klappt.

Foto: Reuters/Foeger

Es ist eines der besten Ergebnisse der Grünen bei einer Gemeinderatswahl in Wien – und dennoch tun sich viele Funktionäre schwer, sich zu freuen. Manchen ist sogar zum Weinen zumute. Folgt man den Aussagen des bisherigen Koalitionspartners, könnte das Ende dieser Koalition bevorstehen. Die SPÖ kokettiert derzeit sehr offensiv und demonstrativ mit den Neos. Womit die Grünen trotz ihrer 14,8 Prozent aus der Stadtregierung flögen – nach zehn langen und aus grüner Sicht fruchtbaren Jahren.

Furchtbare Stimmung

Manche in der SPÖ empfanden diese Zusammenarbeit hingegen als furchtbar, auch auf Bezirksebene. Und das Wahlergebnis von Sonntag böte bequeme Alternativen. Die Neos hatten ihren Wahlkampf zuletzt mit einer sehr aggressiven Koalitionsansage aufgepeppt, jetzt könnte sich dieses Fenster öffnen.

Wie ernst es SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Ludwig mit den Neos meint, darüber wird bei den Grünen heftig spekuliert. Ja, das wäre für Ludwig billiger, und klar ist auch, dass die mächtigen und durch die Wahl gestärkten Außenbezirke, denen sich Ludwig verpflichtet fühlt, keine Fans von Rot-Grün sind.

Ein Erfolg der Grünen in Wien könnte sich dabei als Nachteil erweisen: Laut Wahlarithmetik und Stadtverfassung dürfte den Grünen erstmals ein zweiter Stadtratsposten zustehen. Wenn die Grünen in den Koalitionsverhandlungen darauf bestehen, diesen mit einem Ressort zu versehen, könnte Ludwig der Kragen platzen. Er hat mit 42 Prozent einen klaren Wahlerfolg eingefahren und sieht nicht ein, dass er diesen Erfolg damit "krönen" soll, weitere Agenden an den Juniorpartner abzugeben.

Preis für Koalition

Die Grünen haben zwar lange auf diesen zweiten Stadtratsposten hingearbeitet, intern wird aber schon diskutiert, ob man im Fall des Falles nicht darauf verzichten sollte – wenn das der Preis für die Koalition wäre. Prinzipiell ist der Verhandlungsspielraum für die Grünen nicht allzu groß. Sie haben immer klar formuliert, dass sie keinesfalls in die Opposition wollen. Und sie erheben Anspruch auf jene Agenden, die Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (und davor Maria Vassilakou) bisher innehatte: Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz und Energie. Drohpotenzial haben die Grünen keines. Ihr stärkstes Argument: Auch eine Mehrheit der Wähler wünscht sich laut Umfragen eine Fortsetzung von Rot-Grün in Wien. Aber Ludwig hat die Wahl – und das kosten die Wiener Genossen aus.

Taktisches Anbandeln

Der grüne Gemeinderat Peter Kraus zeigt sich "total optimistisch". Beide Koalitionspartner seien bei der Wahl gestärkt worden, in wesentlichen inhaltlichen Bereichen gebe es grundlegende Übereinstimmung. Das Anbandeln zwischen Rot und Pink sieht er als taktisches Manöver, es beunruhigt ihn noch nicht.

Tatsächlich ist beides für die Grünen aber ein Riesenproblem: wenn es Ludwig mit den Neos ernst meint und auch wenn er nur den Preis für die Koalition hinauftreiben möchte. Das könnte bitter werden.

Hebein nervt Ludwig

Seit Dienstag steht jedenfalls das grüne Verhandlungsteam: Neben der Kernmannschaft – David Ellenson, Peter Kraus, Martin Margulies und Jennifer Kickert – gehört auch die Newcomerin Judith Pühringer dem Team an. Und natürlich Birgit Hebein, Parteichefin und noch Vizebürgermeisterin. Hebein gilt als kluge Verhandlerin. Sie wird etwa vom roten Stadtrat Peter Hacker als Gegenüber geschätzt, hat aber einen entscheidenden Nachteil: Ludwig kann nicht mit ihr. Er ist, und das sprechen rote wie grüne Funktionäre auch so aus, von ihr genervt.

So gut wie einst Michael Häupl und Maria Vassilakou verstehen sich Michael Ludwig und Birgit Hebein definitiv nicht. Tatsächlich könnte Hebein als Person der Grund sein, warum Ludwig den Partnerwechsel forciert.

Der zweite Stadtratsposten spielt hier eine entscheidende, weil doppelte Rolle: Den Grünen gehe es nicht um Posten, wie offiziell versichert wird, aber schon auch. Der zweite Stadtratsposten könnte einen anderen Effekt haben: Ludwig wäre nicht allein auf Hebein angewiesen, sondern hätte in der Stadtregierung einen zweiten grünen Ansprechpartner. Was ihm wichtig sei, wie Rote andeuten und Grüne durchaus nachvollziehen können.

Sympathie aufbauen

Worum es in den Verhandlungen abseits von Posten und Zuständigkeiten auch gehen wird: die Stimmung. "Es muss wieder Sympathie aufgebaut werden", sagt eine Grüne, "da ist im Wahlkampf viel davon abhandengekommen." Gerade in der Verkehrspolitik haben sich die Grünen als Gegner und nicht als Partner präsentiert. Wobei man das durchaus auch umgekehrt so sehen kann. (Michael Völker, 13.10.2020)