Der Streit um illegale Subventionen für die ewigen Rivalen Boeing und Airbus ist offiziell beigelegt. Bei den Strafzöllen geht's jetzt wieder richtig los.

Foto: Imago Images/Russian Look

Genf/Brüssel – Wegen jahrelanger rechtswidriger Subventionen für den US-Flugzeugbauer Boeing darf die Europäische Union nun Strafzölle auf US-Importe im Umfang von knapp vier Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro) im Jahr verhängen. Das legten unabhängige Streitschlichter fest, teilte die Welthandelsorganisation (WTO) mit. Die Schlichter blieben damit weit unter den Forderungen der EU.

Die EU will Strafzölle vorerst nicht einheben, stellte der für Handelspolitik zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, klar: "Wir bevorzugen ganz klar eine Verhandlungslösung." Dabei ginge es um die Vermeidung von EU-Strafzöllen und die Abschaffung der US-Strafzölle in einem ähnlich gelagerten Fall wegen rechtswidriger Airbus-Hilfen. In dem Fall hatten Schlichter den USA Strafzölle auf Produkte aus der EU im Umfang von 7,5 Milliarden Dollar genehmigt. Die EU will Strafzölle nur verhängen, wenn keine Einigung zustande kommt.

Washington droht

Statt auf das EU-Angebot einzugehen, drohte Washington allerdings umgehend mit neuen Maßnahmen. Die Beihilfen seien längst abgeschafft worden, es gebe keine Grundlage für Vergeltungsmaßnahmen, teilte der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer mit. Zölle auf Basis einer aufgehobenen Maßnahme widersprächen WTO-Prinzipien und zwängen die USA zu einer Reaktion. An was die USA genau denken, sagte er nicht.

Ohne Pommes und Ketchup kann eine Sanktionsliste gegen US-Produkte nicht auskommen.
Foto: Imago Images / Christoph Hardt

Eine Liste wurde in Brüssel vorsorglich erstellt: Die für Strafzölle geeignete Palette an US-Produkten reicht von Flugzeugen über Traktoren bis hin zu Spirituosen und Tiefkühlfisch. Auch US-Ketchup könnte teurer werden. Ohne Einigung würden die Strafzölle erhoben, wurde betont. Beobachter gehen davon aus, dass die EU bis zu den US-Wahlen die Füße stillhalten wird.

Von zwölf auf vier

Die EU hatte ursprünglich zwölf Milliarden Dollar an Schäden geltend gemacht, in den Verhandlungen mit den Schlichtern dann auf 8,6 Milliarden reduziert, weil Airbus durch die Staatshilfen für den Konkurrenten Boeing jahrelang benachteiligt worden sei. In einem ähnlich gelagerten Fall hatten Schlichter den USA wegen unerlaubter Subventionen für Airbus bereits Strafzölle auf Produkte aus der EU im Umfang von 7,5 Milliarden Dollar genehmigt.

Berufung ausgeschlossen

Das Urteil ist der vorläufige Schlussstrich unter die beiden Dispute zwischen den Handelsgiganten USA und EU, die seit mehr als 15 Jahren dauern. Eine Berufung ist ausgeschlossen. Die EU hat bereits Abgaben auf Ketchup, Spielkonsolen und andere Produkte angedroht.

Die WTO-Streitschlichter hatten im März 2019 bereits abschließend festgestellt, dass die USA über Jahre zuvor beanstandete staatliche Hilfen für Boeing nicht eingestellt hatten. Seitdem waren Schlichter damit beschäftigt, die Höhe der erlaubten Strafzölle zu ermitteln. Es ging bei den Subventionen unter anderem um Forschungsgelder der Weltraumbehörde Nasa und Steuervergünstigungen. Staatlich gefördert wurde etwa auch der einstige Verkaufsschlager der Amerikaner, das Langstreckenflugzeug Boeing 787, Dreamliner genannt.

Jeder klagte jeden

Die EU und die USA hatten sich vor gut 15 Jahren bei der WTO gegenseitig wegen Beihilfen für Airbus und Boeing verklagt. Die Klage der USA wegen Airbus wurde etwas schneller abgeschlossen. Bereits im Mai 2018 stellten Schlichter im Airbus-Fall fest, dass Brüssel beanstandete Subventionen nicht gestoppt hatte. Sie genehmigten den USA im Oktober 2019 deshalb Strafzölle auf Waren im Wert von 7,5 Milliarden Dollar im Jahr. Das war die höchste Summe, die seit Gründung der WTO 1995 genehmigt wurde.

Käse, Butter und Wein auf der Liste

Die USA hatten das Urteil zu ihren Gunsten einst umgehend umgesetzt: Sie verteuerten die Einfuhr von Käse, Butter und Wein und vielen anderen Produkten aus Europa, ebenso von Komponenten für die Luftfahrtindustrie. Die Strafzölle liegen zwischen 15 und 25 Prozent. Sie straften vor allem die Länder, die Airbus-Subventionen zahlten: Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien.

Die Siegerpartei in einem Handelsstreit darf Strafzölle so lange erheben, bis die unterlegene Partei die beanstandeten Subventionen beseitigt hat. Die EU beteuert seit Monaten, alle Airbus-Hilfen seien eingestellt und die Strafzölle müssten gestoppt werden. Sie hat dazu eine neue Beurteilung durch die Schlichter gefordert, aber ihr Antrag kommt in der krisengeschüttelten WTO nicht voran. Auch die USA behaupten, die beanstandeten Boeing-Hilfen existierten nicht mehr.

Die EU hat den USA zuletzt im Juli angeboten, über die Beilegung der Streitereien und ein Ende aller Strafzölle zu verhandeln. Washington war zunächst nicht darauf eingegangen. (dpa, 13.10.2020)