Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, verteidigt die Regelung rund um die Übernachtunsgverbote: "Wir brauchen eine klare, stringente Linie. Die kann in einer Zeit, wo die Zahlen in Deutschland immer mehr steigen, nicht Lockerung sein."

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Es war alles so schön geplant. Fünf Tage Urlaub auf der Ostseeinsel Usedom. Die Kinder würden am Strand Muscheln sammeln, die Eltern mit einer Tasse Sanddorn-Grog vom Strandkorb aus zusehen.

Doch dann mussten viele Berliner Familien kurzfristig ihre Pläne ändern, und nun heißt es in ihren Herbstferien: Grunewald statt Ostsee. Grund dafür sind Verordnungen in vielen deutschen Bundesländern, die Hotels und Pensionen die Beherbergung von Gästen aus einem innerdeutschen Risikogebiet nur dann erlauben, wenn ein negativer Corona-Test vorliegt. Das kann bei einer vierköpfigen Familie – abgesehen vom zeitlichen Aufwand – ziemlich ins Geld gehen.

Besonders hart davon betroffen sind die Berliner. Die gesamte deutsche Hauptstadt mit ihren 3,8 Millionen Einwohnern gilt seit Neuestem als Risikogebiet, es wurden also mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen registriert.

13 Millionen in roter Zone

Die Regelung ist höchst umstritten und wird auch nicht von allen Ländern angewandt. "Unsinn", nennt sie Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow und lockt Berliner sowie Einwohner aus anderen "roten Zonen" in sein Land.

Und diese werden immer mehr. Laut Robert-Koch-Institut leben bereits mehr als 13 Millionen (von 83 Millionen) Deutschen in einem Risikogebiet, die meisten in Nordrhein-Westfalen und Bayern.

"Das ist schon fast grober Unfug", kritisiert der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung, Andreas Gassen, das Beherbergungsverbot. Innerdeutsche Reisen seien nicht gefährlich, das Problem liege vielmehr bei traditionellen Großhochzeiten, in fleischverarbeitenden Betrieben und bei unkontrolliertem Feiern.

Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, das mit seiner langen Ostseeküste ein Tourismusland ist, verteidigt hingegen die Regelung: "Wir brauchen eine klare, stringente Linie. Die kann in einer Zeit, wo die Zahlen in Deutschland immer mehr steigen, nicht Lockerung sein." Ihr eigener Finanzminister, Reinhard Mayer (SPD) widerspricht: "Die Gefahren liegen nicht bei der Übernachtung in einer Ferienwohnung auf dem Land und auch nicht in einem Hotel einer Stadt." Er ist zugleich Präsident des deutschen Tourismusverbandes.

Pendeln ist erlaubt

Bleibt die Regelung, führt das weiterhin zu merkwürdigen Situationen: Zehntausende Brandenburger pendeln täglich nach Berlin zur Arbeit, Berliner dürfen aber nicht in Brandenburg nächtigen.

In Bayern wiederum gilt das Hotelverbot nicht für Bayern. Ein Bewohner des Risikogebiets München kann problemlos in Oberbayern Urlaub machen. Will jemand aus Frankfurt (ebenfalls Risikogebiet) dies tun, ist ein Test nötig.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist ohnehin der Meinung, man sei kurz davor "die Kontrolle zu verlieren". Er will beim heutigen Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel Lockerungen verhindern. Diesmal möchte Merkel die Länderchefs übrigens nicht nur per Video sehen, sondern persönlich im Kanzleramt. (Birgit Baumann aus Berlin, 13.10.2020)