Ein Gänsegeier aus Israel (hier ein Symbolphoto) geriet mitten in die Wirren des Krieges in Syrien. Was aus ihm wurde, berichtet einer der "Flugbegleiter".

APA

Die Geschichte ist fast zu gut, um nicht erfunden zu sein: Ein 2016 in Katalonien geschlüpfter Gänsegeier wird nach Israel ausgeflogen, weil es in Spanien ohnehin genug Geier gibt. In Israel hingegen braucht es Nachschub an diesen imposanten Greifvögeln, um die Bestände zu stabilisieren. Gänsegeier S98 wird ausgewildert, hat aber nichts Besseres zu tun, als wenig später nach Syrien zu fliegen und dort mitten im Bürgerkrieg entkräftet zwischen den Fronten zu stranden, halb am Verhungern.

Ein junger greifvogelkundiger Milizionär der syrischen Opposition entdeckt den Vogel, päppelt ihn wieder auf – und steht vor dem nicht gerade geringen Problem, wie man S98, der wegen seines Senders schnell unter Geheimdienstverdacht gerät, wieder zurück nach Israel bringen könnte. Eine auch logistisch äußerst komplizierte Rückreiseaktion wird eingefädelt, die kurz vor der israelischen Grenze zu scheitern droht ...

Flugbeobachter vom "Riffreporter"

Christian Schwägerl (Hg.), "Die Flugbegleiter. Von einem Geier, der Frieden stiftet, Hightech-Störchen und andere Reportagen über Vögel und Menschen". € 20,60 / 298 Seiten. Kosmos, Stuttgart 2020

Die Reportage Der Friedensgeier stammt von Thomas Krumenacker, einem freiberuflichen Wissenschaftsjournalisten, der auch für die Journalismusplattform riffreporter.de schreibt. Die sowohl journalistisch wie auch ornithologisch ausgewiesenen Vogelenthusiasten, die sich beim Riffreporter gefunden haben, nennen sich "die Flugbegleiter" und berichten über ihre besten Erlebnisse mit Vögeln und mit anderen Vogelliebhabern, über die Bedrohungen der Vogelwelt oder eben: über einen in Syrien gelandeten Gänsegeier.

Christian Schwägerl, Mitbegründer vom Riffreporter und einer der Flugbegleiter, hat nun die bisher besten Texte seiner Kollegen ausgewählt und daraus ein feines Buch sowohl für angehende wie auch fortgeschrittene Vogelfreunde gemacht.

Vögel in der Literatur

Zu Letzteren ist der Kulturwissenschafter Florian Huber zu rechnen, der an der Uni Lüneburg über Querbeziehungen zwischen Literatur und Naturwissenschaft forscht. Auch Huber hat allerlei Preziosen für Lehnstuhl-Ornis zusammengetragen. Grundlage seiner Auswahl war freilich nichts weniger als die Weltliteratur der vergangenen paar Jahrhunderte.

Und so finden sich in seiner Kompilation Vogelgedichte von Angelus Silesius oder Ossip Mandelstam bunt vermischt mit Vogelbetrachtungen von Adalbert Stifter oder Vilém Flusser, die erst recht wieder dazu verleiten, "im freien Feld" der Lektüre zu verharren anstatt auf Vogelexkursion zu gehen. (tasch, 20.10.2020)

Florian Huber (Hg.), "Im freien Feld. Beobachtungen an Vögeln". € 22,– / 176 Seiten. Czernin-Verlag, Wien 2020