Uneinigkeiten über sprachliche Formulierungen zwischen den Ministerien von Christine Lambrecht (SPD) und Horst Seehofer (CDU).

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Es ist noch immer weit verbreitet, und es fällt meistens auch gar nicht weiter auf: das generische Maskulinum. Gemeint ist damit, dass in personenbezogenen Beschreibungen die männliche Form gewählt wird, obwohl alle gemeint sind. "Politiker" bezeichnet demnach gleich die "Politikerin" mit, "Arbeiter" auch die Arbeiterin.

Während viele öffentliche Institutionen inzwischen bemüht sind, auch Frauen explizit mit dem Femininum anzusprechen (also "Arbeiter und Arbeiterin") und dies auch im alltäglichen Sprachgebrauch immer öfter so gehandhabt wird, ist das generische Femininum nach wir vor unüblich. Wenn von "Bürgerinnen" die Rede ist, sind Frauen gemeint – und Männer müssen sich nicht mitgemeint fühlen. Ein erster Entwurf für ein Gesetz hat es nun trotzdem mit dem generischen Femininum versucht. In einem Referentenentwurf zum Sanierungs- und Insolvenzrecht des deutschen Justizministeriums unter der Leitung von Christine Lambrecht (SPD) wurde durchgängig die weibliche Form verwendet: Schuldnerin, Verbraucherin, Geschäftsführerin.

Gängige Regeln

Das deutsche Innenministerium von Horst Seehofer (CDU) lehnte den Referentenentwurf deshalb ab und forderte eine sprachliche Überarbeitung. "Höchstwahrscheinlich" wäre ein Gesetz, das nur in der weiblichen Form verfasst ist, verfassungswidrig, so die Begründung. Es müsse "den gängigen Regeln angepasst werden", erklärte das Ministerium laut Medienberichten. Zu dieser "gängigen Regel" gehöre auch, dass das generische Maskulinum auch Frauen bezeichne. Umgekehrt sei das generische Femininum "sprachwissenschaftlich nicht anerkannt".

Ein Leitfaden für die Formulierung von Rechtsvorschriften in Deutschland legt tatsächlich fest, dass man das generische Maskulinum "verallgemeinernd" anwenden könne. Andererseits empfiehlt die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, man solle die Gleichstellung von Frauen und Männern "auch sprachlich zum Ausdruck bringen".

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast findet es angesichts dessen, dass Frauen noch immer diskriminiert werden, gut, dass jetzt über geschlechtergerechte Formulierungen in Gesetzestexten gesprochen werde. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, richtete Lambrecht hingegen über einen Medienbericht aus: "Suchen Sie sich bitte irgendein anderes Gesetz für solche Spielereien aus." Die Formulierung im generischen Femininum interpretiert er dahingehend, dass man im Justizministerium die Reform des Sanierungs- und Insolvenzrechts nicht ernst nehme.

Generisches Maskulinum nicht sinnvoller

Dass die Sprachwissenschaft das generische Femininum nicht anerkennt, wie es aus dem Innenministerium hieß, kann der der deutsche Sprachwissenschafter Anatol Stefanowitsch (Freie Universität Berlin) nicht bestätigen. "Sprachwissenschaftlich" könne alles Mögliche heißen, sagte Stefanowitsch in einem Interview mit RBB Kultur. "Wenn man sich die Grammatik anguckt und die Art, wie sprachliche Bedeutungen entstehen, dann kann man sagen, ein generischer Gebrauch des Femininums ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht sicher nicht anerkannt, ein generischer Gebrauch des Maskulinums aber eben auch nicht." Aus Sicht des Sprachsystems ergebe es nicht mehr Sinn, "eine männliche Form zu verwenden, um auch Frauen mitzumeinen, als es jetzt der Fall wäre, wenn man umgekehrt eine weibliche Form verwenden würde, um auch Männer mitzumeinen".

Zum durchaus noch gängigen generischen Maskulinum sagt Stefanowitsch, dass es erst einmal männlich interpretiert werde und einen "kleinen mentalen Extraaufwand" bedeute – sowohl für die Interpretation, dass auch Frauen mitgemeint sind, als auch, wenn tatsächlich nur Männer gemeint sind. (beaha, 14.10.2020)