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Die Allegra fungiert derzeit – wie zwei weitere Schiffe – als Quarantänequartier für Gerettete in Italien.

Foto: Chris Grodotzki / Sea-Watch.org / Handout via REUTERS

Es war der 10. September, als der 15-jährige Ivorer Abou Diakité gemeinsam mit anderen Menschen im Mittelmeer gerettet wurde. Wasser war bereits in ihr Boot vor der libyschen Küste gedrungen. Die Helfer der Organisation Proactiva Open Arms nahmen die 77 Menschen an Bord, die meisten von ihnen waren in schlechter körperlicher und psychischer Verfassung.

Auch Diakité zeigte Anzeichen von schwerer Unterernährung, heißt es bei Proactiva Open Arms. Nach einer Woche an Bord hatte er erhöhte Körpertemperatur und Schmerzen im unteren Rücken. Er erhielt vom medizinischen Personal Antibiotika, eine Ultraschalluntersuchung zeigte keine akuten Probleme. Diakité hatte Narben am Körper, die noch aus seiner Kindheit stammen, wie er laut den Helfern mit Hilfe eines Übersetzers sagte.

600 Menschen auf Quarantäneschiff

Als die geretteten Menschen schlussendlich an die italienischen Behörden übergeben wurden, konnte Diakite aufrecht gehen und sich verständigen. Obwohl er zweimal negativ auf Covid-19 getestet wurde, musste er – wie alle Geretteten seit April – auf ein Quarantäneschiff. 14 Tage sollte der Ivorer auf der zweckentfremdeten Kreuzfahrtschiff Allegra verbringen, gemeinsam mit rund 600 anderen Flüchtlingen und Migranten.

Doch gegen Ende seiner Quarantänezeit wurde der 15-Jährige wieder krank. Sein Zustand verschlechterte sich zunehmend und die Verantwortlichen brachten ihn in ein Krankenhaus in Palermo. Begleitet wurde er von Alessandra Puccio, die von einer Liste an Freiwilligen als sein Vormund ausgewählt worden war. Nach zwei Tagen fiel Diakité ins Koma und starb.

Warten auf Obduktion

Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Zusammenhang mit dem Tod des 15-Jährigen, Puccio wird von dem Menschenrechtsanwalt Michele Calantropo vertreten. Im Gespräch mit dem STANDARD gibt dieser an, dass die Autopsie im Moment durchgeführt wird und er ein Ergebnis im Jänner erwartet, da die Behörden 90 Tage Zeit haben.

Laut Calantropo hat aber eine erste Ermittlung ergeben, dass sich an Bord der Allegra nur ein Arzt befunden habe – für hunderte Menschen: "Das Schiff ist nicht ausgerüstet, um medizinische Fälle zu betreuen", sagt der Anwalt: "Es gibt keine Instrumente zur Untersuchung der Menschen und das, obwohl sie unter verschiedenen Krankheiten leiden können."

Eine Untersuchung einer regierungsfinanzierten Organisation an Bord, die sich auch die Haftbedingungen in Italiens Gefängnissen ansieht, stellt der Allegra aber ein gutes Zeugnis aus. Die Lebensumstände an Bord seien in Ordnung, heißt es.

Ob jemand am Tod von Diakité Schuld hat bzw. wer das gewesen sein könnte, bleibt also mit dem Obduktionsergebnis abzuwarten. Erst dann würde sich entscheiden, ob es zu einem Prozess kommt, so Anwalt Calantropo. (Bianca Blei, 19.10.2020)