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Der ehemalige Kurienkardinal Angelo Becciu gilt als Schlüsselfigur des Skandals.

Foto: AP Photo/Gregorio Borgia, file)

Ihre Verhaftung hatte, wenn man so will, durchaus eine gewisse Größe, einen gewissen Stil: Cecilia Marogna ist aufgrund eines internationalen Haftbefehls der berühmten Interpol festgenommen worden. Beantragt hatte den Haftbefehl die vatikanische Staatsanwaltschaft, die im Zusammenhang mit einem deftigen Finanzskandal im Kirchenstaat ermittelt.

Bei der Affäre geht um dubiose Immobiliengeschäfte in dreistelliger Millionenhöhe, hochriskante Investitionen in Hedgefonds, aber auch um kleinere und größere persönliche Bereicherungen. Als Schlüsselfigur des Skandals gilt der ehemalige Kurienkardinal Angelo Becciu, der Ende September von Papst Franziskus Knall auf Fall gefeuert worden war.

Eine halbe Million Euro

Nach der Entlassung Beccius war bekannt geworden, dass der 72-jährige Sarde der 39-jährigen Sardin Marogna zwischen 2015 und 2018 insgesamt 500.000 Euro von vatikanischen Konten überwiesen hatte, für "humanitäre Zwecke", wie es auf den Zahlungsanweisungen jeweils hieß.

Tatsächlich sei das Geld aber für andere Zwecke verwendet worden, betont Marogna, die sich selbst als "Expertin für Geopolitik" bezeichnet: Dank ihrer mannigfachen Kontakte mit Geheimdiensten in Italien, im Nahen Osten und in Afrika habe sie die vatikanischen Nuntiaturen (Auslandsbotschaften) vor terroristischen Angriffen geschützt und mit islamistischen Entführern über die Freilassung von gekidnappten Missionaren verhandelt.

Sessel und Gewand

Schade nur, dass die vatikanischen Staatsanwälte von dieser segensreichen Tätigkeit bisher kaum eine Spur entdecken konnten. Stattdessen fanden sie heraus, dass die selbsternannte Geheimagentin aus Cagliari 12.000 Euro für einen Ledersessel, 2.200 Euro für Designergewand von Prada, 8.000 Euro für Parfums und Taschen von Chanel sowie 1.400 Euro für Schuhe der Edelmarke Tod's ausgegeben hatte.

Insgesamt, berichteten italienische Medien, habe Marogna auf ihren Shoppingtouren in den vergangenen zwei Jahren 200.000 Euro verprasst. Zur Rechtfertigung erklärte Marogna, dass sie sich diesen kleinen Luxus mit ihrer Arbeit ja wohl verdient habe. Die vatikanischen Ermittler sehen dies anders: Für sie handelt es sich um Unterschlagung.

Tuschelei im Vatikan

Als die "Mata Hari des Vatikans", wie Marogna in Rom inzwischen ironisch genannt wird, die halbe Million aus dem Kirchenstaat erhielt, hatte Kurienkardinal Becciu das Amt des Substituts im vatikanischen Staatssekretariat inne. Damit war er der unbestrittene Herr der Finanzströme im Kirchenstaat. Es konnte nicht ausbleiben, dass hinter den Mauern des Vatikans über den Sarden und die Sardin getuschelt wurde: War Marogna ganz einfach die "Dama del Cardinale" gewesen, die Geliebte des damals allmächtigen Kardinals?

Beide dementieren entschieden: Der Kontakt sei "rein institutionell" gewesen, versichert Becciu. Marogna wiederum sagt, sie fühle sich wie eine "Paketbombe": Sie sei platziert worden, um von den Verstrickungen anderer hoher Prälate in den Finanzskandal abzulenken.

Auslieferungsgesuch gestellt

Wie dem auch sei. Die abenteuerliche Geschichte der vatikanischen Mata Hari belegt einmal mehr, wie leicht sich außenstehende Figuren ohne jegliche Referenzen im vatikanischen Habitat einnisten können. Im Jahr 2015 hatte der wundersame Aufstieg der 33-jährigen Francesca Immacolata Chaouqui in die von Papst Franziskus eingesetzte Untersuchungskommission für die Vatikanfinanzen für Befremden gesorgt.

Chaouqui war die Geliebte des spanischen Monsignore Lucio Angel Vallejo Balda gewesen, der vertrauliche Dokumente an die italienischen Medien weitergeleitet hatte. "Eine Sexbombe bringt den Vatikan in Verlegenheit", titelte damals die Wochenzeitschrift "Panorama".

Die vatikanische Staatsanwaltschaft hat für Cecilia Marogna inzwischen ein Auslieferungsgesuch an Italien gestellt. Es könnte also gut sein, dass sich für sie in den nächsten 24 Stunden die Türen der Arrestzellen im Vatikan öffnen werden. (Dominik Straub aus Rom, 14.10.2020)