Karin Schmidt-Friderichs, die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse am Dienstagabend.

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Frankfurt am Main – Die Hallen leer, die Gänge frei, die Türen versperrt. In der Festhalle eine Bühne vor leeren Stühlen, Kameras übertragen die Lesungen, Diskussionen und Interviews ins Internet. Die Frankfurter Buchmesse, das größte internationale Event des Jahres für Autoren, Verleger, Übersetzerinnen, Agenten, Buchhändlerinnen und Leser ist umgezogen: von der realen Welt in die virtuelle. Das tut weh. "Gespenstisch" findet die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, das verwaiste Gelände.

Als am Mittwochmorgen der erste Livestream von Frankfurt in die Welt gesendet wurde, begrüßte Moderator Ulrich Kühn "alle, die uns jetzt irgendwo im Nirgendwo zuschauen". Wie viele Menschen eine solche Buchmesse erreicht und welchen Nutzen sie für den Literaturbetrieb hat – das ist die Preisfrage des Jahres.

260 Stunden Programm

Buchmessen-Chef Juergen Boos kann mit stattlichen Zahlen aufwarten: 4400 digitale Aussteller aus 110 Ländern haben sich für diese "Sonderausgabe" der Buchmesse angemeldet. Online gibt es 260 Stunden Programm mit 750 Sprechern. Auf der Haben-Seite führt er auch an, dass die Online-Messe mehr Menschen in aller Welt erreichen kann. Das gilt vor allem für die Fachkonferenzen. 800 Teilnehmer haben sich laut Buchmesse zum Eröffnungspanel zugeschaltet, mehr als jemals physisch in Frankfurt gleichzeitig in einem Raum saßen. Aber auch er gibt zu: "Die digitale Messe ersetzt nicht die reale Begegnung." Zur Buchmesse gehörten zufällige Treffen, sich treiben lassen, Teil einer Gruppe sein, Party – all das fällt dieses Jahr aus.

Die aktuelle Situation wirke wie ein Katalysator, sagt Kritiker und Autor Ijoma Mangold. Normalerweise könne man das Gras nicht wachsen hören, weil es so langsam wachse. Die Corona-Pandemie sei jedoch wie ein Regenguss, der das Gras in die Höhe schnellen lasse. Nur, auf die virtuelle Vermarktung von Büchern hat die Buchmesse kein Monopol. Viele Verlage betreiben selbst Plattformen im Internet, auf denen sie à la "Blaues Sofa", Kamingespräch oder Autorenlesung die Bücher ihres Hauses vorstellen, zum Beispiel die "Skyline Talks" der Frankfurter S. Fischer Verlage.

"Überaus reiches Literaturjahr"

"Es ist ein verrücktes Jahr", findet Literaturkritiker Denis Scheck, der von der menschenleeren ARD-Buchmessenbühne aus ein "Best of" seiner TV-Sendung "Druckfrisch" sendet, "aber es ist ein überaus reiches Literaturjahr." Viele Verlage haben Titel vom Frühjahr in den Herbst und nun wieder vom Herbst ins Frühjahr verschoben. Die Leser sind da: "Seit Ende des Lockdowns verzeichnen die Buchhändler in vielen Ländern eine deutlich gestiegene Nachfrage und können so die Minuswerte aus dem Frühjahr reduzieren", berichtet GfK Entertainment zum Buchmessenstart. Ausgewertet wurden Daten aus acht Ländern.

Sogar eine virtuelle Bar hat die Buchmesse eingerichtet, täglich zwischen 18 und 19 Uhr kann man online einchecken. Sie heißt "The Hof" und erinnert ans Luxushotel "Frankfurter Hof" in der Innenstadt. "The Hof" lässt aber auch an den legendären "Hessischen Hof" gegenüber dem Messegelände denken. Corona hat diesem traditionsreichen Hotel an der Messe den Garaus gemacht. Fans der Messe hoffen, dass der Buchmesse nicht das gleiche Schicksal droht. (APA, 14.10.2020)