Die globale Staatsverschuldung klettert auf historische 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die USA nehmen ihr hohes Budgetdefizit locker.

AFP / John Moore

Genauso wie manche Corona-Patienten länger gesundheitlich beeinträchtigt sind, dürfte der wirtschaftliche Schaden der Pandemie in manchen Staaten hartnäckiger sein als in anderen. Wie erfolgreich das Virus in einem Land bekämpft wurde, ist dafür nicht ausschlaggebend, wie ein Vergleich zeigt: Die Rezession in den USA dürfte deutlich glimpflicher verlaufen als in der Eurozone, obwohl Infektionszahlen und Todesfälle in Amerika höher sind, wie jüngste Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigen.

In Zahlen: Die US-Wirtschaft dürfte im laufenden Jahr um 4,3 Prozent schrumpfen. Die Eurozone dürfte dagegen um 8,3 Prozent einbrechen, erwartet man beim IWF. Bei der Mortalität durch Covid-19 pro eine Million Einwohner schneiden die USA mit rund 650 Todesfällen deutlich schlechter ab als die Eurozone mit 400 Sterbefällen. Warum stehen die USA trotz vergleichsweise mangelhafter Corona-Bekämpfung wirtschaftlich besser da? Oder liegt es gerade an größerer Zurückhaltung bei Einschränkungen, dass die Konjunktur in den USA besser läuft?

Rasch gehandelt

Letzteres verneint der Ökonom Philipp Heimberger vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) im Gespräch mit dem STANDARD. "Die internationale Evidenz spricht klar gegen die These, dass es einen starken Trade-off zwischen Gesundheitsschutz der Bevölkerung und wirtschaftlicher Aktivität gibt." Natürlich treffe ein Lockdown die Wirtschaft, doch eine eskalierende Gesundheitskrise ist ebenfalls fatal.

Die Amerikaner hätten schneller reagiert, erklärt der Ökonom das stärkere Wachstum jenseits des Atlantiks. Der Staat schnürte Konjunkturpakete, die noch heuer wirkten. Unter Präsident Trump erhielten alle Bürger einen Konsumscheck in Höhe von 1.200 US-Dollar. Außerdem erhöhte die Regierung das Arbeitslosengeld temporär um 600 Dollar pro Woche. Mittlerweile sind die Programme jedoch ausgelaufen, provisorisch verlängerte Präsident Trump den Bonus für das Arbeitslosengeld, allerdings auf halben Niveau.

Das habe sofort gewirkt, wie ein neuer Konjunktur-Tracker zeigt, den der US-Ökonom Raj Chetty mit Kollegen entwickelte. Anhand von Daten, die private Unternehmen wie Zahlungsabwickler und Lohnabrechner anonymisiert zur Verfügung stellen, bilden die Forscher die wirtschaftliche Lage in Echtzeit ab.

Konsum gestützt

Demnach ist die Krise am Arbeitsmarkt in den USA für Besserverdiener so gut wie erledigt. Die obere Hälfte der Einkommensbezieher sitzt zwar im Homeoffice, hat aber einen festen Job. Die untere Hälfte der Erwerbstätigen verzeichnet 80 Prozent der in der Krise verloren gegangenen Jobs. Kurz gesagt: Wenn Informatiker und Banker nicht in den Büroturm fahren und stattdessen zu Hause arbeiten, Brot backen und nicht ausgehen, leiden Imbissbuden, Verkäufer und Ticketabreißer. Genau da habe das Konjunkturpaket Wirkung entfaltet, zeigt Chettys Tracker: Während die reichere Hälfte der Amerikaner sich weiterhin mit Ausgaben zurückhält, ist der Konsum unter der ärmeren Hälfte dank staatlicher Hilfen sogar über Vorkrisenniveau gestiegen.

Im Gegensatz zu den USA läuft der EU-Corona-Hilfsfonds in Höhe von 750 Milliarden Euro erst 2021 an. Ein Ausblick für die Eurozone unterschlägt natürlich gravierende Unterschiede zwischen den Mitgliedern. Für Italien, Spanien und Frankreich rechnet der IWF mit Einbrüchen der Wirtschaft um zehn Prozent und mehr. In Deutschland, oder den Niederlanden dürfte der Rückgang halb so hoch ausfallen.

Die USA könnten sich dank ihrer privilegierten Stellung im Weltwirtschaftssystem große Konjunkturpakte leisten. Sie nehmen ein Budgetdefizit von 15 Prozent in Kauf. Auch Deutschland hat mehr Feuerkraft bei staatlicher Hilfe. Der Spielraum für Länder wie Spanien oder Italien ist beschränkt. Dass die Gesundheitskrise die finanziell angeschlagenen Staaten stärker trifft, trübt den Ausblick für die Eurozone.

Überall versuchen Länder, die Wirtschaft anzukurbeln. Die öffentliche Verschuldung auf der Welt beläuft sich laut IWF heuer erstmals auf einhundert Prozent der Wirtschaftsleistung. Momentan sollte man nicht obsessiv auf das Defizit schauen, rät Ökonom Heimberger. Wichtiger sei, langfristige Schäden von der Gesellschaft abzuwenden – dann stemmen künftige Regierungen auch leichter den Schuldenberg. (Leopold Stefan, 15.10.2020)