Finanzminister Gernot Blümel auf dem Weg zur Budgetrede

Foto: Matthias Cremer

Der Ruf ertönt vielstimmig und laut. Vehement drängt die Opposition auf eine Entlastung, und Finanzminister Gernot Blümel hütet sich, zu widersprechen. Die nächste Stufe der Senkung der Lohn- und Einkommensteuer komme bestimmt, versichert der oberste Finanzplaner der Republik. Da kann das Defizit in den nächsten Budgets noch so viele Milliarden betragen.

Doch was populär ist, muss nicht unbedingt sinnvoll sein. Denn der Budgetausblick, den Blümel eröffnet, spricht gegen die politische Lieblingsidee. Die Corona-Krise wird im nächsten Jahr mehr als fünf Milliarden Euro von den Staatseinnahmen weggefressen haben – eine Steuersenkung ohne Gegenfinanzierung würde die für die Folgejahre erhoffte fiskale Erholung hintertreiben. Blümel veranschlagt zwar stark sinkende Defizite, aber in diese Rechnung ist eine Entlastung noch nicht eingepreist.

Sicher, dank Negativzinsen kann sich Österreich derzeit zum Nulltarif verschulden, doch dieses Fenster muss und wird nicht ewig offen bleiben. Die Regierung sollte deshalb Prioritäten setzen – und ihren Milliardensegen auf die wirklich dringlichen Anliegen beschränken.

Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

Als oberstes Ziel hat Blümel bei seiner Budgetrede völlig zu Recht die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit genannt. Doch gerade die geplanten Steuersenkungen helfen dabei wenig. Eben erst haben Wirtschaftsforscher bekräftigt, was schon frühere Erfahrungen zeigten: Eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer, wie sie die Regierung in einem ersten Schritt bereits heuer mit dem Versprechen der Kaufkraftstärkung durchgezogen hat, kurbelt die Konjunktur nur bescheiden an. Zu viele Menschen legen das Geld auf die hohe Kante, das gilt gerade für höhere Einkommensklassen. Genau die würden aber von der geplanten Senkung der zweiten und dritten Steuerstufe profitieren.

Ein anderes Vorhaben aus dem Regierungsprogramm taugt mehr, um einen Beschäftigungsschub auszulösen. Der Ausbau sozialer Dienstleistungen, wie ihn eine umfassende Pflegereform verspricht, schafft direkt Jobs. Budgetiert ist dieses Projekt allerdings ebenso wenig. Bei knapper Kasse ist zu befürchten, dass daraus zugunsten der besser verkaufbaren Steuersenkung eine Schmalspurvariante wird. Als Billiglösung stehen in der Pflege ja immer noch die Angehörigen parat.

Besser angelegt wäre das Geld auch in der Arbeitsmarktpolitik. Der Ausbau der Schulungen für Arbeitslose, wie ihn das Budget vorsieht, soll nicht kleingeredet werden. Doch schon vor Corona gab es genügend (ältere) Menschen, die trotz aller Kurse keinen Job fanden. Wie beim Schuldenmachen sollte die ÖVP hier über ihren ideologischen Schatten springen und sich zu öffentlichen Beschäftigungsprogrammen durchringen.

Umweltschutz

Ebenfalls Vorrang haben sollte der Umweltschutz. Das türkis-grüne Budget sieht wichtige Investitionen vor – Geld für thermische Sanierung etwa schafft nicht nur eine bessere Klimabilanz, sondern auch Jobs. Gerade die Grünen, die einseitige Steuersenkungen früher stets skeptisch sahen, sollten das ambitionierte Programm nicht mit einem Schnitt in die Staatseinnahmen gefährden.

Es wäre deshalb klug, die Entlastung eng zu beschränken: auf den Ausgleich für Belastungen durch eine ökologische Steuerreform, wie sie im Budget leider ebenfalls nicht eingerechnet ist. Alles darüber hinaus ist ein Luxus, den sich der Staat weniger denn je leisten sollte. (Gerald John, 14.10.2020)