Die ärmsten Länder werden durch die Corona-Krise zusätzlich zurückgeworfen.

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Berlin/Washington – Die führenden Wirtschaftsnationen gewähren den ärmsten Ländern der Welt angesichts der Corona-Krise einen weiteren Zahlungsaufschub bei ihren Schulden. Die Finanzminister der G20-Staaten verständigten sich am Mittwoch darauf, das Moratorium zunächst um ein halbes Jahr zu verlängern. Im Frühjahr soll eine erneute Verlängerung um sechs weitere Monate geprüft werden.

Der Zahlungsaufschub für Zins- und Tilgungszahlungen soll den Ländern mehr Spielraum für Investitionen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie geben. Ursprünglich sollte die Regelung für die 77 ärmsten Länder der Welt nur bis Jahresende gelten.

Auch Schuldenerlass?

Die G20-Staaten hielten in ihrem Abschlusspapier auch fest, dass im Einzelfall bei Ländern mit erheblichen Schulden und schlechten wirtschaftlichen Aussichten über weitergehende Maßnahmen entschieden werden könne. Ob damit auch ein Schuldenerlass gemeint sein könnte, blieb zunächst offen. Die Finanzminister zeigten sich zudem enttäuscht darüber, dass sich private Gläubiger kaum an dem Schuldenaufschub beteiligten, und ermutigten sie "nachdrücklich", sich anzuschließen.

Das Coronavirus unter Kontrolle zu bekommen, ist aus Sicht der G20 die entscheidende Voraussetzung für eine konjunkturelle Erholung. Dafür und für den Erhalt der Finanzstabilität müsse alles getan werden, was möglich sei, hieß es im Abschlussdokument nach virtuellen G20-Beratungen der Finanzminister und Notenbankchefs. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet in diesem Jahr wegen der Pandemie mit einem Einbruch der Weltwirtschaft um 4,4 Prozent. Das ist die schwerste Rezession seit der Großen Depression vor fast hundert Jahren.

Auch China an Bord

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, die G20-Gruppe habe sich erstmals auf einen Rahmen geeinigt, wie China künftig bei Schuldenerleichterungen einbezogen werden könne. Die Volksrepublik ist in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Gläubiger vieler Länder geworden, nicht nur in Afrika. Weltbank-Chef David Malpass kündigte an, noch im Oktober einen Vorschlag für weitere Notfallfinanzierungen für besonders arme Länder im Volumen von 25 Milliarden Dollar machen zu wollen.

Staatsverschuldung auf Rekordhoch

IWF-Chefin Kristalina Georgiewa sagte in Washington, die immense Verschuldung sei eines der größten Probleme nach der eigentlichen Krise. Die internationale Staatengemeinschaft müsse einen Weg finden, damit umzugehen. Vor allem ärmere Staaten bräuchten Schuldenerleichterungen und Zuschüsse.

Insgesamt rechnet der IWF in diesem Jahr mit einer rasant steigenden Staatsverschuldung und einem neuen Rekordhoch – von 83 auf knapp 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Trotz geringer Haushaltsspielräume empfiehlt der Währungsfonds mehr langfristig ausgerichtete Investitionen. Gesundheits- und Bildungssysteme müssten Priorität haben, außerdem Digitalisierung und Klimaschutz.

Auch private Gläubiger

Die Entwicklungsorganisation One begrüßte die Verlängerung, mahnte aber, auch private Gläubiger müssten in die Pflicht genommen werden. "Entscheidend ist, dass sich alle Akteure an einem Schuldenmoratorium beteiligen – nicht nur die G20, sondern auch die Weltbank sowie private Gläubiger", erklärte die Organisation. Sonst bestehe die Gefahr, dass das frei gewordene Geld doch zur Schuldentilgung statt gegen die Corona-Pandemie eingesetzt werden müsse. Jedes Land, egal wie hoch es verschuldet sei, müsse die Chance bekommen, seine Bevölkerung in der Pandemie zu schützen. Dafür sei ein echtes Schuldenmoratorium bis mindestens Ende 2021 nötig.

Am Rande des virtuellen G20-Gipfels im November wollen sich die Finanzminister zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenschalten, um weiter über das Schuldenmoratorium zu sprechen. (dpa, 14.10.2020)