Corona mischt die Karten neu. In der Politik, am Arbeitsmarkt, im Klopapier- und Brotbackmischungshandel wie auch im Bereich der Mobilität. Öffis verzeichnen Rückgänge bei den Fahrgästen, der Automarkt ist abgesehen von der E-Mobilität eingebrochen, und Zweiräder erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Fahrräder – sowohl die zum Selbertreten als auch die mit den Elektrowadln – waren kurz nach dem Lockdown so begehrt, dass man fast nur mehr Luxusbikes bekam und sich sogar die Klumpaträder in der Auslage sonnen durften.

Und auch der Motorradmarkt legte zu. Um 4,7 Prozent von Jänner bis September 2020, allein im September um 60 Prozent. Lediglich das Segment der Mopeds ist mit minus 2,8 Prozent rückläufig, obwohl auch hier im September 53 Prozent mehr Fahrzeuge verkauft wurden als im Vorjahr. Am stärksten stieg die Nachfrage im Segment der 125er, also jener Motorräder, die man mit einer rein praktischen Ausbildung ohne weitere Prüfung auch mit dem B-Schein fahren darf. Hier stieg die Nachfrage von Jänner bis September 2020 um 8,2 Prozent, allein im September um 68 Prozent.

Die Vespa GTS 300 ist auch heuer wieder das Motorrad, das sich in Österreich am besten verkauft hat.
Foto: Vespa

Das meistverkaufte Motorrad war auch heuer wieder die Vespa GTS 300. Eh kein Wunder, ist sie doch praktisch und fesch in einem, außerdem verkörpert sie perfekt das Dolce Vita, das es derzeit nicht gibt. Allein, um sie zu fahren, braucht man einen A-Schein. Und 6.000 Euro.

Rein elektrisch angetrieben, 90 km/h schnell und unter 6.000 Euro zu haben ist die SuperSoco CPX.
Foto: SuperSoco

Um rund 500 Euro weniger und mit einem B-Schein und ein paar Stunden Praxistraining, respektive sogar ab 16 Jahren mit entsprechender Prüfung, kann man jetzt auch vernünftig elektrisch Roller fahren: den SuperSoco CPX. Er ist wendig und dank 16-Zoll-Vorderrad einfach zu fahren, hat eine Leistung von fast 5 kW, ein Drehmoment von 170 Newtonmeter, eine Reichweite von 140 Kilometer und schafft eine Spitzengeschwindigkeit von 90 km/h. Damit ist er prädestiniert für den Einsatz im urbanen Bereich, Speckgürtel oder auf dem Land. Die beiden Akku-Packs, von dem jedes 18 Kilogramm wiegt, kann man rausnehmen und daheim laden. In rund 3,5 Stunden sind die wieder voll.

Zwei Akkus, Keyless Go, LED-Scheinwerfer und ein digitales Display gehören standardmäßig zur CPX
Foto: SuperSoco

Der Antritt ist wegen des satten Drehmoments beeindruckend, nur oben raus nimmt sich die CPX ein bisserl Zeit beim Beschleunigen. Das ist wohl dem Mapping geschuldet, das auf viel Reichweite ausgelegt ist. Drei Grundsettings gibt es, brauchen wird man aber vermutlich am ehesten Stufe 3, den Powermodus. Nachteil der CPX: Sie hat im Vergleich zu anderen Rollern weniger Stauraum, weil die Akkus unter der Sitzbank untergebracht sind. Einige Vorteile liegen eh auf der Hand und hängen mit dem E-Antrieb zusammen. Dazu gibt es serienmäßig ein paar Feinheiten wie LED-Lichter, Keyless Go und einen Retourgang, falls den wer dringend sucht.

Angetrieben wird die CPX von einem Radnabenmotor. Die Einarmschwinge macht das Reifenwechseln auch ohne Mechanikerausbildung möglich.
Foto: SuperSoco

Eine ganze Nummer größer und ebenfalls ein ideales Motorrad, um nicht nur bei 25 Grad und Sonnenschein eine Tour zu machen, sondern die Saison fast auf das ganze Jahr auszudehnen ist die BMW S 1000 XR. Adventure Sport Bike nennt sie BMW. 165 PS, Vierzylindermotor, jede Menge elektronische Helfer, knapp unter 20.000 Euro.

Die BMW S 1000 XR ist nicht nur leichter geworden, sondern auch eine noch bessere Allrounderin.
Foto: Guido Gluschitsch

Die S 1000 XR wurde heuer neu aufgelegt, ist zehn Kilogramm leichter als ihre Vorgängerin und ist nun ein ganz anderes Motorrad geworden. Verantwortlich dafür ist der neue Sitz. Der ist wie eine Schale geformt, und man kriegt jetzt über den Popometer mehr Feedback darüber, was das Motorrad unter einem macht. Gerade wenn die Bedingungen etwas schwieriger werden, ist das ein Vorteil. Nachteil ist halt, dass die Freunde des schleifenden Knies jetzt ein echtes Problem mit dem Hang-off haben, weil man den Hintern kaum umsetzen kann.

Ein eigenes Rücklicht gibt es nicht mehr, es ist jetzt in den Blinkern untergebracht.
Foto: BMW Motorrad

Fein gelöst ist die Heckansicht, die ohne Rücklicht auskommt, weil das nun in die Blinker integriert ist. Überhaupt ist die Optik eine recht aggressive, obwohl das Motorrad selbst gar nicht böse oder brachial ist – und das, obwohl der Motor von der Supersport-BMW S 1000 RR stammt, aber halt anders ausgelegt wurde. Traktionskontrolle und das elektronische Fahrwerk mit zwei Modi wie auch das Schräglagen-ABS sind serienmäßig verbaut. Dazu gibt es vier Fahrmodi, "Rain", "Road", "Dynamic" und "Dynamic Pro" und statt gewöhnlicher Armaturen ein 6,5-Zoll großes TFT-Display. Der Bildschirm ist genau gleich groß wie jener der Africa Twin von Honda. Und das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten, sehen wir davon ab, dass beide zwei Räder haben und das vordere sogar verstellbar ist.

Das Display der BMW S 1000 XR.
Foto: BMW

Ist die BMW S 1000 XR der sportliche SUV unter den Motorrädern, dann ist die Africa Twin der luxuriöse Geländewagen – auch wenn Honda die Africa Twin als Adventure Sports sogar in der SUV-Variante anbietet. Aber die namenszusatzlose Twin, die hat es in sich. Das Windshield ist deutlich kleiner, die Sitzbank erinnert stark an die einer Motocross-Maschine, und dazu passen auch die brutalen Stollenreifen. Die haben auf der Straße erstaunlich viel Grip, warats dort aber eisig, kann man sich aber auch jederzeit das Bankett zur Piste machen.

Das Display der Honda Africa Twin.
Foto: Guido Gluschitsch

Ein Motocross-Rennen wird man mit der Africa Twin nicht gewinnen – sie wiegt mit dem Doppelkupplungsgetriebe und vollgetankt 236 Kilogramm, das will man im ausgesetzten Gelände nicht aufheben –, aber lange Etappen im Offroad meistert sie hervorragend. Ja, wirklich, Doppelkupplungsgetriebe. Und das funktioniert fantastisch. Sogar auf der Schotterpiste. Das herkömmliche Schalten geht einem bald nicht mehr ab. Darum werden die Knöpfe, mit denen man die Gänge selber sortieren kann, wohl lange wie neu aussehen.

Die Africa Twin ist kein Motorrad für Schönwetterfahrer, sondern für Abenteurer.
Foto: Guido Gluschitsch

Angetrieben wird die Africa Twin von einem 1084 Kubikzentimeter großen Zweizylinder – Paralleltwin, no na –, der eine Leistung von 102 PS hat. Tempomat, Kurven-ABS und LED-Scheinwerfer gibt es auch, und jede Menge Einstellmöglichkeiten, was Traktionskontrolle, ABS und Fahrwerk betrifft. Eben, die ist viel zu schade, um sie im Gelände nur herumzuschmeißen. Und dafür wohl auch zu teuer. 15.990 Euro kostet sie in der Basisversion. Mit dem Doppelkupplungsgetriebe kommt sie auf 17.290 Euro, und ein Offroadpaket um 1500 Euro gibt es auch noch, falls noch was am Konto ist.

Ein Blick auf die Reifen genügt, um über die Eignung der Africa Twin Bescheid zu wissen.
Foto: Guido Gluschitsch

Dafür hat man dann aber ein Motorrad fürs ganze Jahr. Denn eines hat die Honda auch noch: Heizgriffe, auf denen man auf höchster Stufe zur Not auch einen Speck anbraten könnte. Oder Tofu. Je nachdem halt. (Guido Gluschitsch, 28.10.2020)